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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Vater?« sind seine nächsten Worte.
    Ich versichere ihm, daß sein Vater auch seinen Teil
    hat . . . ich den meinen, daß ich ihm morgen . . . die fol-
    genden Tage auch noch so viel würde zukommen las-
    sen können . . .! Er möge es nur nehmen . . . nur neh-
    men . . .!
    André hat mich nicht gefragt, woher dieser Zwieback
    komme, und hat ihn schleunig zum Mund geführt.
    — 229 —
    Und diesen Abend habe ich trotz Mr. Letourneurs
    Angebot nichts gegessen . . . gar nichts!
    40
    7. Januar. – Seit einigen Tagen spült das Meer fast un-
    aufhörlich über die Plattform des Floßes hinweg, und
    hat nach und nach die Füße einiger Matrosen wund ge-
    macht. Owen, den der Bootsmann seit der Revolte im
    Vorderteil gefesselt hält, ist in bejammernswertem Zu-
    stand, und seine Bande werden auf unsere Bitten hin ge-
    löst. Auch Sandon und Burke haben durch das ätzende
    Salzwasser mehr oder weniger gelitten, und wir andern
    sind nur deshalb davon verschont geblieben, weil das
    Hinterteil des Floßes den Wellen weniger ausgesetzt ist.
    Heute hat sich der Hochbootsmann in wütendem
    Hunger auf das Segelzeug, sowie auf Holzstücke ge-
    stürzt, und noch immer höre ich seine Zähne diese
    Stoffe zermalmen. Der Unglückliche sucht nur seinen
    Magen zu füllen, um dessen Schleimhäute wieder ein-
    mal auszudehnen. Zuletzt findet er an einem der Mast-
    stücke, welche die Plattform tragen, ein Stück Leder.
    Dieses Leder ist ja eine tierische Materie, deren er sich
    bemächtigt, sie verzehrt, und mit der er sich doch ei-
    nige Erleichterung zu verschaffen scheint. Alle tun es
    ihm nach. Ein Hut aus gummiertem Leder, die Sturm-
    riemen der Mützen, jede tierische Substanz wird ange-
    — 230 —
    nagt. Uns treibt ein bestialischer Instinkt, dem niemand
    zu widerstehen vermag. Einen Augenblick scheint es, als
    ob wir aller menschlichen Eigenschaften beraubt wären,
    und niemals werde ich diese Szenen vergessen!
    Wenn auch der Hunger nicht eigentlich zu stillen war,
    so ist doch sein Drängen eine Zeitlang unterdrückt. Ei-
    nige unter uns konnten diese Art Nahrung freilich nicht
    einmal vertragen und fingen darauf an, an Übelkeiten
    zu leiden.
    Man verzeihe mir diese Einzelheiten! Ich mag nichts
    verhehlen, was die Schiffbrüchigen der ›Chancellor‹ zu
    leiden hatten! Man wird aus diesen Berichten erfahren,
    welches moralische und physische Elend menschliche
    Wesen zu ertragen imstande sind! Das verleihe diesem
    Tagebuch seinen Wert! Ich werde nichts verschweigen,
    und leider ahnt mir, daß wir unsere Leiden noch nicht
    erschöpft haben!
    Eine Beobachtung, die ich während der oben er-
    wähnten Szene zu machen Gelegenheit hatte, bestärkt
    mich in meinem Verdacht gegen den Steward. Obwohl
    Hobbart sein Jammern nicht unterbrach, ja es womög-
    lich noch übertrieb, hat er sich bei jener Szene nicht be-
    teiligt. Wenn man ihn hört, sollte man glauben, daß er
    schon Hungers sterbe, und wenn man ihn sieht, scheint
    er allein von den allgemeinen Qualen verschont zu sein.
    Besitzt dieser Heuchler noch einen geheimen Vorrat?
    — 231 —
    Ich habe ihn schon überwacht, aber noch nichts entde-
    cken können.
    Die Hitze ist immer bedeutend und sogar unerträg-
    lich, wenn die Brise sie nicht mäßigt. Unser Wasservor-
    rat ist gewiß unzureichend, aber der Hunger ertötet in
    uns den Durst. Und wenn ich mir nun gar noch sage,
    daß die Entbehrung des Wassers uns noch mehr foltern
    wird, als die der festen Nahrung, so kann ich es kaum
    glauben, oder mir wenigstens nicht augenblicklich ver-
    gegenwärtigen. Doch steht diese Tatsache unzweifelhaft
    fest, und Gott wolle es verhüten, daß wir auch das noch
    auskosten sollen!
    Zum Glück enthält die halb zerbrochene Wasser-
    tonne noch immer einige Pinten Wasser, und die andere
    ist ja noch unversehrt. Obwohl sich unsere Anzahl ver-
    mindert hat, hat der Kapitän dennoch, entgegen dem
    Widerspruch von manchen Seiten, die täglichen Ratio-
    nen auf eine halbe Pinte herabgesetzt. Ich stimme ihm
    hierin vollständig zu.
    Vom Branntwein haben wir nur noch eine Viertel-
    gallone übrig, die auf dem Heck des Floßes an sicherer
    Stelle untergebracht ist.
    Heute, am 7., gegen halb 8 Uhr abends, hat wieder ei-
    ner von uns aufgehört zu leiden. Wir sind nur noch 14!
    Leutnant Walter hat sein Leben in meinen Armen aus-
    gehaucht, und weder Miss Herbeys Sorgfalt, noch meine
    hat ihm nützen können . . . er hat es überstanden!
    — 232 —
    Wenige Minuten vor seinem Tod hat der

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