Die Chaos Queen
die Geduld verlor. Er hielt nicht viel von Einkaufszentren. Er hielt mehr von Schlafzimmern, Kneipen und Fußballspielen im Park.
Meine Großmutter rief aus dem Hintergrund: »Ich muss heute Abend zu einer Aufbahrung. Stiva stellt Mama Macaroni aus. Irgendeiner muss mich hinfahren.«
»Bist du verrückt?«, sagte meine Mutter zu ihr. »Da werden unzählige Macaronis sein. Die reißen dich in Stücke.«
Morelli parkte seinen Geländewagen vor dem Haus meiner Eltern und sah mich an. »Bilde dir bloß nichts auf deine Überredungskünste ein. Ich mache das nur wegen des Hackbratens.«
»Und hinterher spielst du noch ein bisschen Detektiv mit mir.«
»Vielleicht.«
»Hast du versprochen!«
»Das Versprechen zählt nicht. Da waren wir im Bett. Da hätte ich dir alles Mögliche versprochen.«
»Spiro wird auftauchen, so oder so. Das weiß ich genau. Er will sich auf jeden Fall sein Werk ansehen. Er will unbedingt dabei sein und dazugehören.«
»Heute Abend wird er von seinem Werk nichts zu sehen bekommen. Der Deckel bleibt zu. Ich weiß, dass Stiva gut ist, aber glaub mir, bei Mama Macaroni waren Hopfen und Malz verloren.«
Morelli und ich stiegen aus dem Auto und beobachteten, wie ein Fahrzeug die Straße entlang auf uns zugefahren kam. Es war ein blauer Honda Civic. Kloughns Wagen. Er prallte gegen den Bürgersteig und fuhr mit einem Reifen hinauf, ehe er anhielt. Durch die Windschutzscheibe sah Kloughn uns an und winkte mit den Fingerspitzen.
»Total breit«, sagte ich zu Morelli.
»Ich müsste ihn festnehmen«, meinte Morelli.
»Du kannst ihn nicht festnehmen. Er ist Valeries Knuddelbärchen.«
Morelli ging auf den Wagen zu, öffnete die Tür, und Kloughn fiel heraus. Morelli zerrte Kloughn auf die Füße und lehnte ihn gegen den Civic.
»So darfst du nicht fahren«, sagte Morelli.
»Ich weiß«, erwiderte Kloughn. »Hab versucht, zu Fuß zu gehn, aber ich war zu betrunken. Is’ schon in Ordnung. Ich bin gaaaanz laaangsam un’ vorsich’ig gefahren.«
Kloughn sackte allmählich zu Boden, Morelli packte ihn am Schlafittchen. »Was soll ich mit ihm machen?«, fragte er.
Es ist so: Ich mag Albert Kloughn, wirklich. Aber ich würde ihn nicht heiraten. Und wenn ich des Mordes angeklagt wäre, würde ich ihn nicht mit meiner Verteidigung beauftragen. Ich würde ihm wahrscheinlich nicht mal Rex anvertrauen. Kloughn fiel irgendwie in dieselbe Kategorie wie Bob: Er sprach meinen Mutterinstinkt an.
»Bring ihn ins Haus«, sagte ich zu Morelli. »Wir legen ihn ins Bett, da kann er seinen Rausch ausschlafen.«
Morelli beförderte Kloughn ins Haus und die Treppe hinauf. Grandma folgte ihm.
»Bring ihn in das dritte Schlafzimmer«, befahl sie Morelli.
»Und dann wollen wir essen. Das Essen ist so gut wie fertig, ich will nicht so spät mit dem Hackbraten anfangen. Ich muss noch zur Aufbahrung.«
»Nur über meine Leiche«, rief meine Mutter vom Treppenabsatz.
Mein Vater saß schon am Tisch. Er hatte eine Gabel in der Hand und belauerte die Küchentür, als würde die Mahlzeit jeden Augenblick ohne Zutun meiner Mutter hereinspaziert kommen.
Draußen hielt ein Auto. Türen wurden geöffnet und zugeschlagen, und dann war das Chaos perfekt: Valerie, Angie, das Baby und das Pferd kamen herein, und plötzlich wurde es ziemlich eng im Haus.
Grandma kam die Treppe heruntergehetzt und nahm Valerie die Windeltasche ab. »Alle hinsetzen!«, befahl sie. »Der Hackbraten ist fertig. Es gibt Hackbraten mit Soße und Kartoffelbrei. Und zum Nachtisch haben wir gestürzten Ananaskuchen. Und jede Menge Schlagsahne dazu.« Grandma musterte Mary Alice. »Und nur Pferde, die am Tisch sitzen und ihr Gemüse und ihren Hackbraten essen, bekommen etwas vom Kuchen und der Schlagsahne ab.«
»Wo ist mein Schnuffelbärchen?«, wollte Valerie wissen.
»Sein Wagen steht an der Straße.«
»Der ist oben, voll wie eine Haubitze«, erklärte Grandma.
»Ich hoffe nur, dass seine Leber nicht schlappmacht, bevor wir dich unter der Haube haben. Guck mal nach, ob er eine Lebensversicherung hat!«
Meine Mutter servierte den Hackbraten und die grünen Bohnen. Grandma brachte Rotkohl und eine Schüssel mit Kartoffelpüree. Ich schob den Stuhl nach hinten und ging in die Küche, um Milch für die Mädchen und Soße zu holen.
Gibt es bei meinen Eltern Essen, lautet das Motto: Der Schnellste gewinnt. Alle setzen sich an den Tisch. Alle legen sich eine Serviette auf den Schoß. Aber dann ist es vorbei mit den guten Sitten, dann geht es rund.
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