Die Chaos Queen
warum wir das hier machen«, sagte er.
»Der Täter kehrt immer an den Tatort zurück. Weiß doch jeder.«
»Das hier ist kein Tatort.«
»Mach doch bitte einfach mit, ja? Spiro gehört meiner Meinung nach zu den Typen, die nicht gerne außen vor stehen. Ich denke, er möchte sich das Schauspiel ansehen.«
Einen Augenblick saßen wir schweigend da. Morelli schaute mich an. »Du lächelst«, sagte er. »Da bekomme ich ein ungutes Gefühl. Nach diesem Essen lächelt niemand, der noch alle fünf Sinne beisammen hat.«
»Ich fand, es gab ein paar ganz gute Szenen.«
Morelli widmete seine Aufmerksamkeit abwechselnd den im Beerdigungsinstitut eintreffenden Gästen und mir. »Zum Beispiel als deine Oma meinte, ich sollte mir ein bestimmtes Buch besorgen?«
»Das war die beste Szene überhaupt.«
Es war schon fast dunkel. Die Halogenscheinwerfer malten Lichtkegel auf den Bürgersteig und die Straße. Stivas vordere Veranda war hell erleuchtet. Damit wollte der Bestatter vermeiden, dass alte Leute die Treppe hinunterfielen, nachdem sie den Toten die letzte Ehre erwiesen hatten.
Im dunklen Auto streckte Morelli die Hand nach mir aus. Seine Fingerspitzen fuhren an meinem Haaransatz entlang.
»Willst du vielleicht was dazu sagen? Hat deine Großmutter recht? Sind wir deswegen nicht verheiratet?«
»Du willst doch bloß gelobt werden.«
Morelli musste lachen. »Erwischt.«
Es klopfte am Fahrerfenster, wir zuckten zusammen. Morelli ließ die Scheibe einen Spalt herunter. Grandma blinzelte uns an.
»Ich dachte doch, das Auto kenne ich«, sagte sie.
»Was machst du hier?«, fragte ich. »Ich dachte, wir hätten geklärt, dass du zu Hause bleibst.«
»Ich weiß, dass deine Mutter es gut meint, aber manchmal kann sie einem gehörig auf den Zeiger gehen. Diese Aufbahrung ist morgen Stadtgespräch. Wie soll ich in den Schönheitssalon gehen, wenn ich nichts über die Aufbahrung weiß? Was soll ich den Leuten erzählen? Ich habe einen Ruf zu verteidigen. Man erwartet von mir, dass ich die schmutzigen Details kenne. Deshalb habe ich mich verdrückt, als deine Mutter zur Toilette gegangen ist. Ich hatte Glück, Mabel von nebenan hat mich mitgenommen.«
»Wir können Grandma da nicht reingehen lassen«, erklärte ich Morelli. »Wenn die Macaronis sie sich vornehmen, ist sie nur noch ein Fleck auf Stivas Teppich.«
»Es wäre wirklich besser, wenn du nicht reingehen würdest«, sagte Morelli zu Grandma. »Warum steigst du nicht zu uns ins Auto, dann fahren wir in eine Kneipe und geben uns die Kante?«
»Kein schlechtes Angebot«, erwiderte Grandma. »Aber geht nicht. Ich muss unbedingt wissen, ob der Deckel drauf ist.«
»Der Deckel ist auf jeden Fall drauf«, bekräftigte Morelli.
»Ich hab gesehen, wie sie Mama Macaroni zusammengesucht haben. Die bekam man nicht mehr geflickt.«
Grandma wog ihre Möglichkeiten ab und schob ihre Prothese im Mund umher. »Kommt mir nicht richtig vor, ihr nicht die letzte Ehre zu erweisen«, sagte sie schließlich.
»Ich habe einen Vorschlag«, sagte Morelli. »Ich geh rein und sondiere die Lage. Wenn der Deckel nicht drauf ist, hol ich dich rein. Wenn der Deckel zu ist, fahr ich dich nach Hause.«
»Klingt ganz vernünftig«, meinte Grandma. »Ich will nicht ohne guten Grund von den Macaronis in Stücke gerissen werden. Ich warte hier.«
»Und frag Constantine, ob er Spiro gesehen hat«, trug ich Morelli auf.
Er stieg aus, und Grandma nahm seinen Platz hinter dem Steuer ein. Wir sahen zu, wie Morelli das Beerdigungsinstitut betrat.
»Den muss man behalten«, meinte Grandma. »Ist ein wirklich netter junger Mann geworden. Und er sieht gut aus. Nicht so umwerfend wie dieser Ranger, aber schon ziemlich nah dran.«
Auf der Hamilton fuhren Autos an uns vorbei. Einige parkten neben Stivas Haus, es stiegen Leute aus und steuerten auf die große Veranda zu. Vor der Tür stand ein Grüppchen Männer. Sie rauchten und unterhielten sich. Gelegentlich hörte man jemanden lachen.
»Du bist wohl wieder arbeitslos, was?«, fragte Grandma.
»Schon eine Vorstellung, was du als Nächstes machen willst?«
»Angeblich sucht die Fabrik für Hygieneprodukte neue Angestellte.«
»Könnte klappen. Die Fabrik ist weit die Route 1 runter, da haben sie vielleicht noch nicht von dir gehört.«
In dem Moment sprang die Ampel vor uns auf Grün um, und die Autos fuhren an. Ein Geländewagen glitt auf der anderen Straßenseite langsam an uns vorbei. Hinter dem Steuer saß Spiro.
Ich wollte über die
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