Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
von Sekunde zu Sekunde mieser. Weil – weil Tessa vielleicht tatsächlich NICHT mit Henry geknutscht hat. Und weil mir diese Möglichkeit soeben schmerzhaft klar wird. Sogar meerwasserklar. Und weil ich dann also einen … RIESIGEN Fehler gemacht habe. Und …
Oh, ich kann kaum noch weiteratmen.
Javier starrt uns immer noch wortlos abwechselnd an. Oh-oh-oh! Was mach ich denn nur?
»Ich … ich …«, stottere ich in Javis Richtung, »ich hab mich vielleicht – also wahrscheinlich – geirrt. Ich … ich meine, ich hab … Also eigentlich hab ich nicht wirklich was gesehen, was wie Knutschen aussah.« Meine Stimme ist kurz davor, zu versagen.
»Tut mir leid«, hauche ich noch in Tessas Richtung und zur Sicherheit ein zweites Mal auch in Javiers Richtung.
Und dann drehe ich mich um und renne. Renne so schnell ich kann oder so schnell man eben rennen kann, wenn die eigenen Augen plötzlich ebenfalls ganz nass werden. Vor Scham.
Ich stolpere auf der Treppe über Cornelius, der mit offenem Mund Kennys und Bonbon-Bentjes Flurmalereien anstarrt und dabei ebenfalls aussieht, als würde er gleich anfangen zu heulen. (Ist das in unserer Familie ansteckend?)
Als ich näher komme, reißt er sich von dem grellen Türkis
mit den liebevollen Kreisen, Wolken, Bäumen und Blumen in Orange und Powerpink los, seufzt einmal tief und deutet dann auf irgendwas Weißes auf dem Boden. »Pass auf, Malea, wo du hintrittst! Dieses Huhn!«
Hühnerkacke auf den Stufen? Das stört mich im Augenblick wenig.
Ich rase die letzte Stufe hoch und rein in mein Zimmer und vergrabe mich tief in die Kissen meines schönen Muschelbettes. Und denke den Rest des Abends darüber nach, wie schnell man Fehler machen kann im Leben. Große Fehler. Fehler, die meine Schwester sehr unglücklich gemacht hätten.
Oh je, so scheußlich habe ich mich lange nicht mehr gefühlt! Wie soll jemand, der schon bei so kleinen Dingen so riesige Fehler macht, die ganze Welt retten können?
Bloß gut, dass James Bond mich nicht kennt. Der würde ganz sicher nur verächtlich den Kopf schütteln!
Livi
Manche Tage mit meiner Familie sind gut, manche Tage sind schlecht und an manchen Tagen liebe ich alle trotzdem so doll, dass es mir beinahe nichts mehr ausmacht, auch mit ihnen wohnen zu müssen. Es gibt aber auch Tage, an denen man sich wirklich wünscht, dass die eigene Familie einen vielleicht ein klitzekleines bisschen unterstützen würde!
Das Frühstücken bei uns wird echt anstrengend. Aber dieses Mal kann es nicht an mir liegen. Meine Laune ist nämlich eigentlich gar nicht so schlecht.
Obwohl heute der Tag ist. Der irische Tag. Der Tag, an dem hundert Leute an mir rumzupfen und zerren und zippeln werden. Der Tag, an dem ich lächeln muss, während andere Leute darüber lachen werden, wie blöd ich beim Lächeln aussehe.
Nein. Stopp. Wenn ich so weitermache, habe ich in drei Sekunden genauso schlechte Laune wie anscheinend Tessa und Malea, die den ganzen Morgen über noch kein Wort miteinander gewechselt haben. Ich muss die Sache irgendwie positiver sehen.
Also – heute ist der Tag, an dem ich viel, viel Geld für viele, viele Plakate und Broschüren und vielleicht sogar für
eine eigene Kamera verdienen werde. Ja, juchhu! Das ist die richtige Einstellung!
»Na, Livilein, du strahlst ja!« Rema lächelt mir über den Tisch rüber zu und bietet mir eins von den frisch aus dem Ofen kommenden Mohnbrötchen an.
Eine Sekunde lang fürchte ich, dass Rema sich verplappern könnte und vor meinen Schwestern von dem Modeljob anfängt. Tut sie aber nicht. Sie zwinkert mir nur zu und deutet dann noch mal auf die Brötchen.
Mohnbrötchen? Ich bin lieber vorsichtig. »Hat Iris die gebacken?«
»Nein, keine Sorge«, kommt Iris’ Stimme genau da von der Tür her. »Die kommen aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt.«
»Ah …«, mache ich erleichtert und grinse. »Wie schade. Na, ich nehme trotzdem eins.«
Iris streckt mir freundlich die Zunge raus und setzt sich ebenfalls an den Tisch. »Na, ihr Lieben? Alles gut?«
Hat sie ihren neuen Kitschroman endlich fertig? Sie sieht zehn Jahre jünger aus. Und besser gelaunt.
Was man von Tessa nicht gerade sagen kann. Die komische Mütze ist wieder verschwunden, aber ihr Gesicht sieht keinen Zentimeter fröhlicher aus. Was ist nur los mit ihr?
»Fährt Javier uns heute zur Schule?«, frage ich.
Malea reißt ihren Kopf hoch und guckt Tessa so eindringlich an, als könne sie die Antwort gar nicht abwarten. Also ehrlich, wir
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