Die Chaosschwestern sind unschlagbar - Mueller, D: Chaosschwestern sind unschlagbar
kleine Schlitze und sie zischt mir erschreckend hasserfüllt zu: »SAG MAL, HAST DU SIE NOCH ALLE? Wie kannst du nur so fiese lügen? Hab ich dir was getan?«
Ob sie mir was getan hat?
Also ehrlich! Natürlich hat sie nicht mir was getan. Aber dem armen Javier gegenüber war das, was Tessa getan hat, ja wohl nicht sehr nett.
Sie dreht sich zu Javier. »Die lügt! Malea lügt! Die dumme Kuh! Ich weiß echt nicht, wieso sie so …« Und dann bricht der Wasserfall wieder los. Aber diesmal wird Tessa von so heftigen Schluchzern geschüttelt, dass sie nicht weiterreden kann.
Javier sieht ein wenig verwirrt aus. Sein dunkelroter Kopf kriegt eine etwas normalere Farbe, aber sein Mund ist fest zusammengekniffen. Böse sieht er immer noch aus, sehr böse.
Ich mache mal vorsichtig ein paar Schritte rückwärts. Ich denke, das müssen die beiden jetzt allein klarkriegen. Da sollte ich mich nicht einmischen.
»STOP!«, brüllt Tessa zu mir rüber und schnieft und wischt sich mit der Hand über ihre tränennassen Augen und scheint total vergessen zu haben, dass dort etwa ein halbes Kilo Wimperntusche klebt, sodass sich nun interessante schwarze Muster auf ihrem gesamten Gesicht verteilen.
Puh, es muss ihr wirklich schlecht gehen, wenn ihr das egal ist!
»STOP! DU BLEIBST HIER UND GIBST ZU, DASS DU GELOGEN HAST! JETZT SOFORT!« Tessa dreht sich wieder zu Javi um. »Sie hat gelogen. Ehrlich!«
Ich gucke reichlich verdutzt. Mit einem so massiven Rückschlag habe ich nicht gerechnet.
Ich hätte erwartet, dass sie peinlich berührt ist. Dass sie im Boden versinkt. Dass sie mich hasserfüllt anguckt, vielleicht – schließlich ist es klar, dass sie nicht erfreut ist, wenn ich verrate, was sie getan hat. Aber so eine Reaktion?
Ja, ich bin jetzt auch etwas verwirrt. Vielleicht genauso verwirrt wie Javier. Wir gucken beide Tessa zu, die immer noch gleichzeitig weint und schreit. Und genauso wie ich, scheint Javier plötzlich deutlich beeindruckt zu sein von ihrem Verhalten.
Ich weiß nicht genau, was ich jetzt sagen soll.
»Sag was, Malea!«, faucht Tessa.
»Ähm …«
»Wie kommst du dazu, so was MIESES zu behaupten?«
»Äh …« Ich fühle mich mehr als unwohl zwischen den beiden und würde mich wirklich am liebsten so schnell wie möglich verdrücken.
»WIE KOMMST DU DARAUF?« Tessa ist unerbittlich.
Ich hole Luft. »Ich sag doch: Ich hab dich gesehen.«
»Wo?«
»Vor der Apotheke.«
»Mit Henry?«
Ich seufze. »Ja.«
Javier guckt unserer Unterhaltung wortlos zu. Er guckt von einem zum anderen, als würde er einem Ping-Pong-Spiel zusehen.
»Und WAS GENAU hast du gesehen?«, donnert Tessa.
Oh, Mann, ist das schwierig! Hätte ich bloß nichts gesagt!
»Ich habe dich mit Henry gesehen«, antworte ich trotzdem tapfer. Ich werde jetzt nicht lügen, bloß weil mir meine Schwester plötzlich leidtut oder bloß weil sie plötzlich brüllt wie ein Löwe.
»Und du hast gesehen, dass ich mit ihm geknutscht habe?«
»Ja.« Ich versuche, mich genau an das zu erinnern, was ich aus dem Busch heraus gesehen habe. »Na ja … also ich hab gesehen, dass du deinen Kopf an seinen Hals gedrückt hast und …«
»Ganz GENAU!«, donnert Tessa. »Mein Kopf war an seinem Hals. Und nicht an seinem MUND! ODER?«
»Hm«, mache ich und hole nun auch tief Luft. Wo, bitte, soll denn da der Unterschied sein?
»Du dämliche Kuh!«, faucht sie da weiter. »Henry hat netterweise auf meinem Kopf nach Läusen gesucht. Und sonst NICHTS!«
Sie sieht mich so irre wütend an, dass mir plötzlich ganz schlecht wird.
Wie meint sie das, er hat nur nach Läusen gesucht? Wenn sie ihren Kopf an seinem Hals hat, dann ist es doch klar, dass sie auch knutschen. Oder geknutscht haben. Oder in der nächsten Sekunde auf jeden Fall knutschen werden. Ähm, das denkt man doch, wenn man so was sieht, oder? ODER?
»Also, Malea!« Tessa gibt keine Ruhe. »HAST du wirklich gesehen, dass Henry und ich uns geküsst haben?«
»Äh – nein.« Puh, jetzt bricht mir der Schweiß aus. »Also direkt gesehen hab ich das nicht. Ich meine …«
» Was meinst du?«, fragt Tessa. »Du siehst mich neben einem
Jungen und nimmst automatisch an, ich würde ihn küssen?«
Ich atme schwer. Ja, also – Mist! – irgendwie habe ich so ziemlich genau das angenommen, ja.
»Du bist doch echt das Allerletzte!« Tessas Stimme faucht nicht mehr. Sie zittert wieder. Und neue Tränen strömen aus ihren Augen. Aber jetzt sieht sie nur noch traurig aus.
Und ich fühle mich gerade
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