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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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erschossen worden sei, als er sich seiner Verhaftung widersetzt habe. Bist du der Chirurg?
    Die Augen, deren Hornhäute der Tod schon getrübt hatte, weckten keine Erinnerungen. Sie betrachtete sein Gesicht, versuchte eine Spur des Bösen zu entdecken, die Karl Pachecos Leiche noch anhaftete, doch sie empfand nichts. Diese sterbliche Hülle war leer, und von dem, der sie einst bewohnt hatte, war nichts übrig geblieben.
    »Ich kenne diesen Mann nicht«, sagte sie und verließ den Raum.
    Sie wartete schon draußen am Wagen, als Moore herauskam. Der Gestank des Autopsiesaales hatte ihre Lungen verpestet, und nun sog sie die sengend heiße Luft tief hinein, wie um sich von der Verseuchung reinzuwaschen. Obwohl sie inzwischen schwitzte, war die Kühle dieses klimatisierten Gebäudes ihr bis ins Mark gedrungen.
    »Wer war Karl Pacheco?«, fragte sie. Er blickte in die Richtung des Pilgrim Hospital, lauschte auf das anschwellende Sirenengeheul eines Rettungswagens.
    »Ein Sexualverbrecher«, sagte er. »Ein Mann, der Frauen jagte.«
    »War er der Chirurg?«
    Moore seufzte. »Anscheinend nicht.«
    »Aber Sie hatten es für möglich gehalten.«
    »Die DNS-Analyse bringt ihn mit Nina Peyton in Verbindung. Er hat sie vor zwei Monaten vergewaltigt. Aber wir haben keine Beweise, dass er etwas mit Elena Ortiz oder Diana Sterling zu tun hatte. Nichts, was ihn mit ihrem Leben verknüpft. «
    »Oder mit meinem.«
    »Sie sind sicher, dass Sie ihn noch nie gesehen haben?«
    »Ich bin nur sicher, dass ich mich nicht an ihn erinnere.«
    Die Sonne hatte den Wagen aufgeheizt wie einen Backofen. Sie öffneten die Türen und blieben noch eine Weile draußen stehen, bis der Innenraum sich abgekühlt hatte. Catherine betrachtete Moore über das Wagendach hinweg und sah, wie müde er war. Auf seinem Hemd waren Schwitzflecken. Eine feine Art und Weise, seinen Samstagnachmittag zu verbringen – eine Zeugin ins Leichenschauhaus zu fahren. In vielerlei Hinsicht führten Polizisten und Ärzte ein ähnliches Leben. Sie machten viele Überstunden; sie hatten Jobs, bei denen um fünf Uhr nicht einfach der Hammer fiel. Sie begegneten den Menschen in ihren dunkelsten, qualvollsten Stunden. Sie wurden Zeugen von Albträumen und lernten, mit den Bildern zu leben.
    Welche Bilder er wohl mit sich herumtrug? Das fragte sie sich, während er sie nach Hause fuhr. Wie viele Gesichter von Opfern, wie viele Schauplätze von Morden waren in seinem Kopf gespeichert wie Fotografien in einer Kartei? Sie war nur ein Faktor in diesem Fall, und sie musste an all die anderen Frauen denken, ob lebend oder tot, die um seine Aufmerksamkeit gewetteifert hatten.
    Er parkte vor ihrem Haus und machte den Motor aus. Sie blickte zum Fenster ihrer Wohnung hoch und stellte fest, dass sie nicht die geringste Lust verspürte auszusteigen, sich von ihm zu verabschieden. Sie hatten in den letzten Tagen so viel Zeit zusammen verbracht, dass sie schon begonnen hatte, sich wie selbstverständlich auf seine Stärke und Anteilnahme zu verlassen. Wären sie sich unter glücklicheren Umständen begegnet, dann wäre ihr allein sein gutes Aussehen ins Auge gefallen. Was für sie jetzt das Wichtigste war, das war nicht seine Attraktivität, auch nicht seine Intelligenz, sondern was er im Herzen trug. Dies war ein Mann, dem sie vertrauen konnte.
    Sie überlegte sich ihre nächsten Worte und die möglichen Konsequenzen sehr sorgfältig – und kam zu dem Schluss, dass sie sich den Teufel um irgendwelche Konsequenzen scherte.
    Leise fragte sie: »Möchten Sie noch auf einen Drink mit reinkommen?«
    Er antwortete nicht sofort, und sie spürte, wie ihre Wangen rot anliefen, während sein Schweigen eine nahezu unerträgliche Bedeutungsschwere gewann. Er mühte sich, eine Entscheidung zu treffen; er begriff, was sich zwischen ihnen abspielte, und er war sich nicht sicher, wie er damit umgehen sollte.
    Als er sie endlich anschaute und sagte: »Ja, ich würde gerne noch mit reinkommen«, da wussten sie beide, dass sie mehr als nur einen Drink im Sinn hatten.
    Sie gingen auf die Eingangstür zu, und er legte den Arm um sie. Es war mehr als nur eine beschützende Geste. Seine Hand ruhte wie beiläufig auf ihrer Schulter, aber die Wärme seiner Berührung und ihre Reaktion darauf ließen ihre Hände zittern, als sie den Türcode eingab. Die Aufregung, die Erwartung machte sie langsam und unbeholfen. Oben schloss sie mit fahrigen Bewegungen ihre Wohnungstür auf, und sie tauchten in die köstliche Kühle

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