Die Chirurgin
ihres Apartments ein. Er ließ sich nur noch die Zeit, die Tür zu schließen und zu verriegeln, dann nahm er sie in die Arme.
Es war schon so lange her, dass sie irgendjemandem erlaubt hatte, sie zu halten. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte die bloße Vorstellung von Männerhänden auf ihrer Haut sie in Panik versetzt. Aber in Moores Umarmung lag ihr kein Gedanke ferner als der an Panik. Sie erwiderte seine Küsse mit einem hungrigen Verlangen, das sie beide überraschte. So lange schon hatte sie auf körperliche Liebe verzichten müssen, dass sie das Gefühl des Begehrens schon fast vergessen hatte. Erst jetzt, als jede Faser in ihrem Leib zum Leben erwachte, erinnerte sie sich wieder an die Empfindung der Lust, und ihre Lippen suchten die seinen mit der Gier einer Verhungernden. Sie war es, die ihn über den Flur zum Schlafzimmer zerrte und ihn dabei weiter mit Küssen übersäte. Sie war es, die sein Hemd aufknöpfte und seine Gürtelschnalle öffnete. Irgendwie wusste er, dass er nicht als Eroberer auftreten durfte, weil es ihr Angst machen würde. Dass sie jetzt, bei ihrem ersten Mal, die Führung übernehmen musste. Aber er konnte nicht verbergen, wie erregt er selbst war, und sie spürte es, als sie den Reißverschluss öffnete und seine Hose herabglitt.
Er begann ihre Bluse aufzuknöpfen und hielt inne, suchte ihren Blick. Die Art, wie sie ihn ansah, die Art, wie ihr Atem schneller und schneller ging, ließ keinen Zweifel daran, dass sie genau das wollte. Die Bluse öffnete sich langsam und glitt über ihre Schultern. Ihr BH fiel mit einem flüsternden Geräusch zu Boden. Die ganze Zeit war er überaus zärtlich; es war nicht so, als ob er sie ihres Schutzes beraubte, vielmehr schien es wie eine willkommene Befreiung. Sie schloss die Augen und seufzte vor Lust, als er sich bückte, um ihre Brust zu küssen. Kein Überfall, kein Angriff, sondern ein Akt der Ehrerbietung.
Und so gestattete Catherine zum ersten Mal seit zwei Jahren einem Mann, sie zu lieben. Keine Gedanken an Andrew Capra kamen störend dazwischen, als sie zusammen auf dem Bett lagen. Keine Panik blitzte in ihr auf, keine Furcht erregenden Erinnerungen suchten sie heim, als sie sich der letzten Kleidungsstücke entledigten und sein Gewicht sie auf die Matratze niederdrückte. Was ein anderer Mann ihr angetan hatte, war ein Akt von solcher Brutalität, dass er mit diesem Augenblick nichts gemein hatte, dass keine Verbindung zu diesem Körper zu bestehen schien, den sie bewohnte. Gewalt ist nicht Sex, und Sex ist etwas anderes als Liebe. Liebe war das, was sie empfand, als Moore in sie eindrang, als er ihr Gesicht in beiden Händen hielt und sein Blick auf ihr ruhte. Sie hatte vergessen, wie gut ein Mann sich anfühlen konnte, und sie erlebte die Lust, als sei es das allererste Mal.
Es war dunkel, als sie in seinen Armen erwachte. Sie fühlte, wie er sich regte, und hörte ihn fragen: »Wie viel Uhr ist es?«
»Viertel nach acht.«
»Puh.« Er lachte benommen und wälzte sich auf den Rücken. »Ich kann nicht glauben, dass wir den ganzen Nachmittag verschlafen haben. Ich hatte wohl doch eine ganze Menge nachzuholen.«
»Und dabei hast du gar nicht mal so viel Schlaf bekommen.«
»Wer braucht denn schon Schlaf?«
»Du redest ganz wie ein Arzt.«
»Das ist etwas, was wir gemeinsam haben«, sagte er, während seine Hand langsam die Konturen ihres Körpers erforschte. »Wir haben beide zu lange drauf verzichten müssen …«
Sie lagen einen Augenblick lang da, ohne sich zu rühren. Dann fragte er leise: »Wie war es?«
»Willst du wissen, wie gut du als Liebhaber bist?«
»Nein, ich wüsste gerne, wie es für dich war. Von mir berührt zu werden.«
Sie lächelte. »Es war gut.«
»Ich habe nichts Falsches gemacht? Ich habe dir keine Angst gemacht?«
»Bei dir fühle ich mich sicher. Das ist es, was ich am meisten brauche. Ich glaube, du bist der einzige Mann, der das je begriffen hat. Der einzige Mann, dem ich je vertrauen konnte.«
»Manche Männer sind es wert, dass man ihnen vertraut.«
»Ja, aber welche? Das kann ich nie sagen.«
»Das wirst du auch nicht wissen können, bis es hart auf hart kommt. Dann wird er derjenige sein, der immer noch an deiner Seite steht.«
»Dann muss ich wohl annehmen, dass ich ihn nie gefunden habe. Ich habe andere Frauen sagen hören, dass die Männer, sobald man ihnen erzählt, was einem zugestoßen ist – sobald man das Wort ›Vergewaltigung‹ ausspricht –, die Flucht ergreifen. Als
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