Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
und sie an einem Baum aufhängte. Moores Vater war fuchsteufelswild geworden, als er es gesehen hatte. Sofort war er nach nebenan gestürmt und hatte, ohne auf die wütenden Proteste des Nachbarn zu hören, die Vogelscheuche heruntergeschnitten.
    Jetzt verspürte Moore den gleichen Drang, auf den Baum zu klettern und das baumelnde Moosgewächs abzuschneiden.
    Stattdessen stieg er wieder in seinen Wagen und fuhr zurück zum Hotel.
     
    Detective Mark Singer stellte einen Pappkarton auf den Tisch und klopfte sich den Staub von den Händen. »Das ist der letzte. Hat uns ein ganzes Wochenende gekostet, sie alle aufzutreiben, aber da haben Sie die komplette Sammlung.«
    Moore betrachtete die zwölf Kartons voller Beweismaterial, die auf dem Tisch aufgereiht standen, und meinte: »Ich sollte mir wohl einen Schlafsack besorgen und mich hier häuslich einrichten.«
    Singer lachte: »Wäre gar keine schlechte Idee, wenn Sie wirklich vorhaben, jedes Fitzelchen Papier in diesen Kartons unter die Lupe zu nehmen. Nichts verlässt das Haus, klar? Der Kopierer steht drüben am Ende des Korridors; geben Sie einfach Ihren Namen und Ihre Dienststelle ein. Toilette – diese Richtung. Im Kommandoraum gibt’s normalerweise Kaffee und Donuts. Falls Sie sich bei den Donuts bedienen, würden sich die Jungs sicher freuen, wenn Sie ein paar Kröten in das Glas werfen würden.« Das alles war von einem Lächeln begleitet, aber Moore hörte dennoch die verborgene Botschaft aus diesem weichen, gedehnten Südstaaten-Akzent heraus: Wir haben hier unsere Hausregeln, und ihr Großstadtbullen aus Boston müsst euch genauso daran halten wie jeder andere.
    Catherine hatte diesen Polizisten nicht gemocht, und Moore begriff jetzt, warum. Singer war jünger, als er erwartet hatte, noch keine vierzig; ein muskelbepackter Überflieger, der Kritik nicht ausstehen konnte. In jedem Rudel konnte es nur ein Alphatier geben, und für den Moment würde Moore Singer diese Rolle überlassen.
    »In diesen vier Kartons sind die Ermittlungsprotokolle«, sagte Singer. »Vielleicht fangen Sie am besten mit denen an. Die Kartei mit den Querverweisen ist in diesem Karton hier, und die Einsatzprotokolle finden Sie hier drin.« Er ging am Tisch entlang und klopfte auf die Kartons, während er sprach. »Und hier drin ist die Akte Dora Ciccone von den Kollegen aus Atlanta. Das sind bloß Kopien.«
    »Die Originale befinden sich also in Atlanta?«
    Singer nickte. »Das erste Opfer, und das Einzige, das er dort ermordet hat.«
    »Da es sich ja um Kopien handelt, dürfte ich den Karton vielleicht mitnehmen, um mir die Unterlagen im Hotel anzusehen?«
    »Wenn Sie ihn nur wieder zurückbringen.« Singer seufzte und ließ den Blick über die Kartons schweifen. »Also, ich weiß ja nicht so recht, wonach Sie eigentlich suchen. Der Fall ist so abgeschlossen wie nur was. Bei jedem der Morde haben wir Capras DNS sichergestellt. Wir haben Fasern, die ihn überführen. Wir haben die Zeitschiene. Capra wohnt in Atlanta, dann wird Dora Ciccone in Atlanta ermordet. Er zieht nach Savannah, und schon vermehren sich bei uns die toten Ladys. Er war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«
    »Ich bezweifle nicht für eine Sekunde, dass Capra Ihr Mann war.«
    »Und wieso wollen Sie dann jetzt diesen Krempel durchwühlen? Manche von den Sachen sind drei, vier Jahre alt.«
    Moore hörte die abwehrende Haltung aus Singers Stimme heraus, und er wusste, dass diplomatisches Geschick hier das A und O war. Die kleinste Andeutung, dass Singer im Fall Capra Fehler gemacht haben könnte, dass ihm das entscheidende Detail, dass nämlich Capra einen Partner gehabt hatte, entgangen war, würde das Ende jeder Hoffnung auf Unterstützung durch die Kollegen aus Savannah bedeuten.
    Moore wählte eine Antwort, die jegliche Schuldzuweisung vermied. »Wir haben da eine Theorie, dass es sich um einen Nachahmungstäter handeln könnte«, sagte er. »Unser Täter in Boston scheint ein Bewunderer von Capra zu sein. Er imitiert seine Verbrechen bis ins kleinste Detail.«
    »Woher sollte er denn über die Details Bescheid wissen?«
    »Sie standen vielleicht miteinander in Kontakt, als Capra noch lebte.«
    Singer schien sich zu entspannen. Jetzt lachte er sogar.
    »Ein Perverso-Fanclub, was? Na prima.«
    »Da unser Täter mit Capras Vorgehensweise bestens vertraut ist, muss ich es ebenfalls sein.«
    Singer deutete auf den Tisch. »Dann mal ran an die Buletten.«
    Nachdem Singer den Raum verlassen hatte, las Moore die

Weitere Kostenlose Bücher