Die Chirurgin
mit versteinerten Gesichtern und verhärteten Herzen um die schreiende Jungfrau herumstanden, wie viele von denen, die zusahen, wie Iphigenie entkleidet, wie ihr Schwanenhals für den tödlichen Schnitt entblößt wurde – wie viele dieser Soldaten fühlten, wie plötzlich die unerwartete Hitze der Lust in ihre Lenden strömte! Fühlten, wie ihre Schwänze steif wurden?
Wie viele von ihnen würden je wieder einen Frauenhals anschauen können, ohne den Drang zu verspüren, ihn zu durchschneiden!
Ihre Kehle ist so bleich, wie es die Iphigenies gewesen sein muss. Sie hat sich vor der Sonne geschützt, wie es alle Rothaarigen tun sollten, und nur ein paar Sommersprossen stören das Bild ihrer durchscheinenden Alabasterhaut. In diesen zwei Jahren hat sie ihren Hals für mich makellos gehalten. Das weiß ich zu schätzen.
Ich habe geduldig gewartet, bis sie das Bewusstsein wiedererlangt hat. Ich weiß, dass sie jetzt wach ist und mich wahrnimmt, denn ihr Puls hat sich beschleunigt. Ich berühre ihren Hals, an der kleinen Grube gleich oberhalb des Brustbeins, und sie zieht die Luft durch die Zähne ein. Und hält sie an, während ich mit den Fingern über die Seite ihres Halses streiche, entlang der Halsschlagader. Ihr Puls hämmert, lässt die Haut rhythmisch erbeben. Ich fühle ihren Schweiß unter meinen Fingern. Wie ein Nebel hat er sich auf ihre Haut gelegt, und ihr Gesicht glänzt davon. Als meine Finger über die Kante ihres Unterkiefers fahren, lässt sie die Luft endlich aus ihren Lungen entweichen; es klingt wie ein Wimmern, gedämpft durch das Klebeband über ihrem Mund. So kenne ich meine Catherine ja gar nicht. Die anderen waren alle törichte Gazellen, aber Catherine ist eine Tigerin; die Einzige, die je zurückgeschlagen und mit ihren Krallen das Blut zum Fließen gebracht hat.
Sie schlägt die Augen auf und schaut mich an. Und ich sehe, dass sie verstanden hat. Ich habe endlich gesiegt. Sie, die Würdigste von allen, ist erobert.
Ich lege meine Instrumente bereit. Das metallische Scheppern ist Musik in meinen Ohren, als ich sie auf dem Tablett neben dem Bett arrangiere. Ich spüre, dass sie mich beobachtet, und ich weiß, dass ihr Blick von dem hellen Glanz des rostfreien Stahls angezogen wird. Sie kennt die Funktion jedes einzelnen Instruments, denn gewiss hat sie schon oft damit gearbeitet. Der Wundhaken dient dazu, die Ränder eines Einschnitts auseinander zu ziehen. Die Gefäßklemme wird benutzt, um Blutungen aus verletzten Gefäßen zu unterbinden. Und das Skalpell – nun, wir wissen beide, wozu man ein Skalpell benutzt.
Ich stelle das Tablett neben ihrem Kopf ab, damit sie alles genau sehen und sich ausmalen kann, was als Nächstes kommt. Ich muss kein Wort sagen; die schimmernden Instrumente sprechen eine deutliche Sprache.
Ich berühre ihren nackten Bauch, und sofort ziehen ihre Muskeln sich krampfhaft zusammen. Es ist ein jungfräulicher Bauch, keine Narben verunstalten seine glatte Oberfläche. Die Klinge wird durch ihr Fleisch gleiten wie durch Butter.
Ich greife nach dem Skalpell und drücke ihr die Spitze auf den Bauch. Sie schnappt nach Luft, und ihre Augen weiten sich.
Irgendwo habe ich einmal ein Foto eines Zebras gesehen, aufgenommen genau in dem Moment, als die Reißzähne des Löwen sich in seine Kehle senkten. In Todesangst verdreht das Zebra die Augen. Es ist ein Bild, das ich nie vergessen werde. Das ist der Blick, den ich jetzt in Catherines Augen sehe.
O Gott, o Gott, o Gott.
Das Geräusch ihres eigenen Atems dröhnte in Catherines Ohren, als sie den Stich der Skalpellspitze auf ihrer Haut spürte. Schweißüberströmt schloss sie die Augen, in panischer Angst vor den Schmerzen, die sie erwarteten. Ein Schluchzen blieb ihr in der Kehle stecken, ein Schrei zum Himmel um Gnade, um einen schnellen Tod, alles, nur nicht dies. Nicht das Aufschlitzen des Fleisches.
Und dann wurde das Skalpell weggenommen.
Sie schlug die Augen auf und sah ihm ins Gesicht. Es war so gewöhnlich – ein Gesicht, das man gleich wieder vergaß. Er war ein Mann, den sie Dutzende Male gesehen haben mochte, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Und doch kannte er sie. Er hatte am Rande ihrer Welt gelauert, hatte sie in das strahlende Zentrum seines Universums gerückt, während er sie, unerkannt in der Dunkelheit, umkreist hatte.
Und ich habe nie gewusst, dass er da war.
Er legte das Skalpell auf das Tablett. Und lächelnd sagte er: »Noch nicht.«
Erst als er das Zimmer verließ, wusste sie,
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