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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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diese verdammte Abteilung leiten sollen, aus den Glücksplätzchen.«
    »Was würdet ihr davon halten, wenn wir mal die Verbrechensmeldungen durchgehen würden?« schlug Sergeant Yanov sehr zur Erleichterung von Lieutenant Finque vor, der sich vor diesen ungehobelten, bärbeißigen alten Polizisten wie Spermwhale Whalen unverhohlen fürchtete. Irgendwie schaffte er es nie, sich mit diesen Burschen auf ein vernünftiges Gespräch einzulassen.
    »Hier haben wir was aus der Virginia Road, wo eine Hausfrau selbst eine Alarmanlage gegen Einbrecher gebastelt hat«, kam Nick Yanov zur Sache und rieb sich beim Lesen sein Stoppelkinn. »Sie ist gehbehindert und liegt den ganzen Tag mit einer Achtunddreißiger unterm Kopfkissen im Bett. Sie hat einen Einbrecher abgeknallt, als er sich durchs Küchenfenster in die Wohnung schleichen wollte. Das war bereits der zweite.«
    Nachdem das allgemeine Beifallklatschen verstummt war, sah Sergeant Yanov auf die Uhr. »Wir haben nicht mehr viel Zeit. Hier ist ein Foto von dem Burschen, den die Schnüffler suchen, weil er ständig seine Alte verprügelt; das ginge ja noch, wenn er ihr nicht auch noch mit einem Messer auf den Leib rücken würde. Er hängt oft in dem Billardsalon in der Adams rum.«
    »Übrigens, Sergeant«, meldete sich Spencer van Moot zu Wort, »mir reicht’s allmählich, ständig zu dieser verrückten Alten gerufen zu werden, die am West Boulevard wohnt. Weiß der Mann an der Aufnahme nicht langsam, daß die Frau 'ne Meise hat? Sie fragt immer so Zeug wie, wo sie einen Sturzhelm für ihren fünfunddreißigjährigen epileptischen Sohn kriegt, der ständig auf den Kopf fällt.«
    »Aber das dauert doch immer nur eine Minute«, beruhigte ihn Sergeant Yanov. »Ihr Sohn ist außerdem schon seit fünf Jahren tot. Und der alten Frau tut es doch einfach gut, mit so einem gutaussehenden Blondschopf wie Ihnen zu sprechen, Spencer. Vielleicht erinnern Sie sie an ihren Sohn.«
    »Sie ist ja nun nicht gerade mein Typ, und schließlich habe ich Wichtigeres zu tun«, erwiderte Spencer. Zu seinem Ärger brach auf diese Antwort die versammelte Mannschaft in lautes Gejohle und Gelächter aus, da bis auf Lieutenant Finque jeder wußte, daß diese wichtigeren Dinge die günstigen Einkäufe waren, die Spencer auf dem Wilshire Boulevard tätigte.
    »Zeit, an die Arbeit zu gehen«, verkündete Lieutenant Finque daraufhin, da er der Auffassung war, ein Lieutenant sollte nie zulassen, daß ein Sergeant – besonders, wenn er so nachsichtig war wie Nick Yanov – während des Appells zu viel zu sagen hatte.
    Die schlimmste Nervensäge unter den Männern der Nachtschicht des Wilshire-Reviers war zweifellos Francis Tanaguchi. Er war fünfundzwanzig, Japanamerikaner der dritten Generation und war in den barrios von East Los Angeles aufgewachsen, so daß er zwar fließend Spanisch, aber kein Wort Japanisch sprach. Er liebte Guacamole, Chilerelleno, Barbacoa, Menudo, Albongidassuppe und Tequila mit allem Drumrum. Dagegen haßte er Sushi, Tempura, Teriyakisteak und Sake und wäre vor einem vollen Teller verhungert, wenn er ihn mit Stäbchen hätte essen müssen.
    Als jugendliches Mitglied einer Chicano-Jugendbande hatte er an mehr Wände als jedes andere Bandenmitglied ›Peewee Raiders‹ gesprüht. Trotzdem wurde er von den Mexikanerjungen nie voll akzeptiert, die sämtliche Asiaten unter den Oberbegriff ›Chino‹ oder ›Chink‹ fallen ließen. Francis bemühte sich darum, ›Francisco‹ oder zumindest ›Pancho‹ genannt zu werden, mußte sich aber schließlich mit ›Chinkano‹ zufriedengeben. Dieser Name blieb ihm, bis er mit einundzwanzig zur Polizei ging.
    Im Lauf der Zeit stellte er fest, daß es durchaus Vorteile mit sich brachte, Japaner zu sein. Es gab einige mexikanisch-amerikanische Polizisten, aber nur wenige japanisch-amerikanische, obwohl Los Angeles den größten japanisch-amerikanischen Bevölkerungsanteil in Kalifornien hat.
    Hin und wieder führten Francis und sein schwarzer Partner Calvin Potts tiefschürfende, philosophische Gespräche über ihre ethnische Abstammung.
    »Wie soll ich es je zu was bringen, wenn mich alle nur einen Buddhaschädel nennen«, klagte Francis seinem Partner sein Leid.
    »Du brauchst dich gar nicht groß zu beklagen«, bemerkte Calvin. »Was soll denn ich erst sagen? Wie glaubst du denn, daß es wäre, in deiner Kuliwelt ein Schwarzer zu sein, hm?«
    »Wer sagt hier, daß ich ein Kuh' bin?« fuhr Francis auf. »Ich bin Mexikaner, verdammt

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