Die Chorknaben
nochmal.«
»Red keinen Quatsch, Francis; du bist ein Japse«, erinnerte ihn Calvin.
»Dann hör gefälligst auf, mich Kuli zu nennen.«
»Zumindest seht ihr doch alle gleich aus.«
»Es ist verdammt hart, ein Japaner zu werden, wenn du mal in meinem Alter bist. Ich versuche das jetzt schon seit vier Jahren und kann noch immer kein anständiges Foto machen oder einen Rasen ordentlich mähen.«
»Du denkst also, du hättest nichts zu lachen«, meinte Calvin. »Wie fändest du es denn, von den Kollegen ständig angemacht zu werden, wenn du dich mit 'ner Weißen zu verabreden versuchst. Glaubst du, so etwas ist angenehm?«
»Zumindest ist es noch nicht soweit, daß du davon die Nase voll hast.«
»Das ist nur, weil ich mich besaufe, wenn ich mich mit 'ner Weißen verabrede. Ich muß mich einfach besaufen, um es besser zu ertragen, wenn sie mich dann abblitzen läßt.«
»Du besäufst dich doch immer – ganz gleich, mit was für 'nem Mädchen du dich verabredest. Inzwischen pfeifen es doch schon die Spatzen von den Dächern, daß du ein Säufer bist.«
»Ich saufe doch nur, weil das alles ein bißchen erträglicher macht«, meinte Calvin.
»Klar, aber wie fändest du es denn, wenn dir jedesmal kotzübel würde, wenn du bloß 'nem toten Fisch in die Augen siehst?«
»Mir wird jedesmal kotzübel, wenn ich einem toten Fisch in die Augen sehe.«
»Aber dich versucht Lieutenant Finque wenigstens nicht in die asiatische Gemeinde einzuschleusen, indem er dich als Kontaktbeamten bei japanischen Banketts einsetzt, wo du dir drei rohe Krabben reinwürgen mußt, um dann bis zum Daniel Freeman Hospital nicht aus dem Kotzen herauszukommen.«
»Das ist doch alles nur in deinem Kopf, diese Abneigung gegen japanisches Essen.«
»Aber der Kopf ist doch wohl der schlimmste Ort, wo es einem übel werden kann. Und so etwas tut dieses Arschloch von Lieutenant Finque mir an.«
»Wir können das bei der nächsten Singstunde ja mal mit den anderen besprechen. Roscoe oder irgendein anderer von diesen Irren wird sich schon was einfallen lassen, um es diesem Heini zu zeigen.«
Mit achtundzwanzig war Calvin Potts drei Jahre älter als Francis Tanaguchi, und er war auch schon zwei Jahre länger bei der Polizei. Er war groß, durchtrainiert, geschieden und der Sohn eines Kautionsbürgen. Er war in Baldwin Hills aufgewachsen, als dort noch kaum schwarze Familien wohnten. Sein ganzes Leben lang hatte er mit Mädchen und Frauen aller Rassen zu tun gehabt, und er hatte eigentlich keine Probleme mit seiner Hautfarbe. Alkoholiker war er, weil sein Vater bereits Alkoholiker gewesen war; ebenso wie ein Bruder, eine Schwester, zwei Onkel und zahlreiche Cousins. Er kam aus einer Familie, in der ordentlich gesoffen wurde. Schon mit sechzehn hatte er mit Scotch angefangen. Außerdem trank er, weil er über seine Exfrau Martha Twogood Poots nicht wegkam, deren Vater einer der erfolgreichsten schwarzen Anwälte von Los Angeles war.
Im zweiten Jahr ihrer Ehe war Martha Twogood Potts nach verschiedenen relativ erfolgreichen sexuellen Begegnungen mit heiratswürdigeren Männern zu der Überzeugung gelangt, daß sie blöd gewesen war, einen ganz gewöhnlichen Polizisten zu heiraten. Sie setzte Calvin Jr. auf die Straße und wandte sich an ihren Daddy um Hilfe, worauf dieser einen Richter des Obersten Gerichtshofs überzeugen konnte, daß es im Falle Officer Calvin Potts' durchaus angebracht war, daß er fünfunddreißig Prozent seines Nettoeinkommens für die Unterstützung seiner Frau und seiner Kinder abtreten sollte. Damit blieben fünfzehn Prozent für die monatlichen Ratenzahlungen für den Wagen, fünfundzwanzig Prozent für Essen, zwanzig Prozent für Benzin und Reparaturen und vierzig Prozent für einen umfangreichen Kredit, den er zu Beginn seiner Ehe großzügig aufgenommen hatte. Da sich die Summe daraus auf 135 Prozent belief, schaffte Calvin Abhilfe, indem er seinen Mercedes zurückgab und sich stattdessen ein gebrauchtes Schwinn-Fahrrad ohne Gangschaltung kaufte, mit dem er täglich zum Dienst fuhr. Dann teilte er die fünfundzwanzig Prozent für Lebensmittel in zwei gleiche Teile – eine Hälfte für Essen, eine Hälfte für Alkohol, um freilich feststellen zu müssen, daß zwölfeinhalb Prozent des Nettoeinkommens eines Polizisten selbst für einen durchschnittlichen Alkoholiker reichlich knapp bemessen waren. Also tat er sich mit einem Mädchen namens Lottie La Färb zusammen, die einen Teilzeitjob beim Fernmeldeamt hatte und bei
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