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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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einlochen und die ganze Angelegenheit dann vor Gericht regeln«, knurrte Calvin verächtlich. »Und bevor es schließlich zu einer Gerichtsverhandlung käme, gäbe es sicher auf Antrag der zwei Angeklagten drei Vertagungen, und am Ende würden sie sich dann doch einigen, nichts gegeneinander zu unternehmen, womit wieder einmal nur eine Menge meiner Zeit und das Geld der Steuerzahler verschwendet worden wäre.«
    »Könnten Sie mich vielleicht ins Krankenhaus bringen?« fragte die Erbin.
    »Möchten Sie gegen ihn aussagen?«
    »Nein.«
    »Dann nehmen Sie den Bus«, riet ihr Calvin. »Der Doktor wird Sie sogar umsonst flicken. Das ist ein Notfall.«
    »Kriegt man hinterher keine Rechnung zugeschickt?« erkundigte sie sich, um das Papiertaschentuch wieder über die Wunde zu pressen und ihr Kleid hinunterzuziehen.
    »Sicher werden sie Ihnen eine Rechnung schicken, aber die können Sie ja mit all den anderen Rechnungen dazu hernehmen, die Löcher in Ihren Schuhen zu stopfen.«
    » Ihn sollten wir auf jeden Fall mitnehmen, Calvin«, schlug Francis vor. »Er ist wirklich schwer verletzt.«
    »Wollen Sie gegen die Frau da aussagen?« fragte Calvin. »Nein«, erklärte der Mann. Sein Atem produzierte eine blubbernde Blase auf seiner Brust, die unter leisem Schmatzen platzte.
    »Na wunderbar«, meinte Calvin und strebte dem Ausgang zu.
    »Dann nehmen Sie mal schön zwei Aspirin und bleiben morgen im Bett.«
    »Aber er ist doch schwer verletzt, Calvin.« Francis mußte laufen, um seinen Partner draußen auf dem Gehsteig einzuholen.
    »Hey, laß mich bloß in Frieden! Mein Entschluß steht fest. Ich schere mich einen Dreck um diese Arschlöcher. Sollen die doch machen, was sie wollen, und wenn sie sich vom Hals bis zum Bauch aufschlitzen. Bitte, sollen sie doch! Ich werde sie nicht daran hindern.«
    »Aber er schwebt in Lebensgefahr! Seine Lunge könnte nicht mehr mitmachen.«
    »So einen Nigger bringt so schnell nichts um, Francis. Mich hat ein gewisser Dixie Suggs eingearbeitet, der Schwarze genauso gehaßt hat wie du Krabben. Er hat mir beigebracht, daß man diesem Volk praktisch die Köpfe abschneiden und dann schrumpfen lassen muß, wenn man eines von diesen Arschlöchern umbringen will. Verdammte Scheiße, hoffentlich werden wir nächsten Monat für den Norden eingeteilt. Jedenfalls sind nur diese Juden mit ihren großen Klappen wesentlich lieber als diese verdammten Nigger.«
    »Ist ja schon gut, Calvin, ist ja schon gut.« Francis sah seinen Partner kurz an, bevor er nach dem Mikrofon griff, um sich bei der Zentrale zurückzumelden.
    Calvin rauchte eine Zigarette, während sie bis Einbruch der Dunkelheit geruhsam durch die Gegend fuhren. Dann betastete Calvin die Brusttasche seiner Uniform und sagte: »Schauen wir doch mal kurz bei Easy's rein und holen uns was zu rauchen.«
    Francis, der den Abend zuvor ordentlich gezecht hatte, döste in seinem Sitz vor sich hin, wobei ihm alle paar Augenblicke der Kopf auf die Brust kippte, so daß ihm sein langes schwarzes Haar wie einem kleinen Jungen über sein schmales Gesicht fiel.
    »Haben wir einen Auftrag gekriegt?« erkundigte sich Francis und suchte in seiner Hemdtasche nach einem Bleistift.
    »Du kannst ruhig weiterschlafen, Francis. Wir haben nichts gekriegt.« Calvin bog gemächlich in den Venice Boulevard ein und hielt vor dem Alkoholausschank von Easy Willis, einem humorvollen Schwarzen, der jeden der drei Streifenwagen, die dieses Gebiet rund um die Uhr abfuhren, täglich mit zwei Schachteln Zigaretten versorgte. Easy dachte, er käme dadurch in den Ruf, daß bei ihm ständig die Polizei aus- und einging, und er hoffte, auf diese Weise potentielle Räuber und Einbrecher aus der Gegend abzuschrecken.
    Der Zigaretten wegen kamen nicht nur während jeder Schicht zwei Polizisten in den Laden, sondern sie richteten auch jedesmal, wenn sie vorbeikamen, ihren Suchscheinwerfer auf das Ladenfenster. Die Zigaretten ließen sie außerdem etwas häufiger als gewöhnlich vorbeikommen, und der Suchscheinwerfer eines Streifenwagens hat für Laden- und Tankstellenbesitzer in Ghettogegenden immer etwas Vertrauenserweckendes. Viele von ihnen wurden nämlich schon öfter mit einer Schußwaffe bedroht oder angegriffen als ein ganzer Trupp Polizisten, und sie üben ja tatsächlich einen wesentlich gefährlicheren Beruf aus als diese.
    »Na, Calvin, was gibt's denn so Neues?« grinste Easy, als Calvin ohne Mütze den Laden betrat, der von oben bis unten mit Bier, billigem Wein und harten

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