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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Sachen vollgestopft war. Die Ghettobewohner verstanden sich aufs Trinken.
    »Nichts besonderes, Easy, nichts besonderes.« Calvin lehnte sich lässig gegen die Theke, während Easy einer angetrunkenen Schwarzen mit einem Kind im Arm und einem zweiten am Rockzipfel eine Flasche Scotch in eine Papiertüte packte. Calvin ließ seine Blicke über die Regale gleiten, die sich unter all den Flaschen bogen. Wie in den meisten Läden im Ghetto gab es wegen jugendlicher Ladendiebe auch bei Easy keine Süßigkeiten oder Zigaretten. Calvin sah sich die Reihen von Pornomagazinen an und dann das raffinierte Feuerlöschsystem, das der weiße Inhaber des Geschäfts anbringen hatte lassen, falls es in Los Angeles zu einem neuerlichen Aufstand der Schwarzen kommen sollte.
    Lolly Herman, der Besitzer des Geschäfts, hatte früher einen Laden in Watts gehabt, der jedoch 1965 geplündert und in Brand gesteckt worden war. Er hatte mehr Angst vor einer schwarzen Rebellion als jeder Südstaaten-Plantagenbesitzer vor dem Bürgerkrieg. Er hatte alle Fenster vergittern und an fünf strategisch wichtigen Stellen des Ladens einen lautlosen Auslöseknopf für die Alarmanlage anbringen lassen – hinter dem Ladentisch, auf der Toilette, falls ein Dieb den Verkäufer dort einsperren sollte; im Kühlraum; neben der Hintertür des Ladens, die auf einen Hof führte, der mit einem drei Meter hohen Drahtmaschenzaun und fünf Reihen Stacheldraht als oberstem Abschluß gesichert war, und schließlich in dem kleinen Büro, das sich direkt an den Ladentisch anschloß und bis zur Decke mit kugelsicherem Glas abgetrennt war. Die Tür zum Büro, in dem das Geld aufbewahrt wurde, war elektronisch verriegelt. Dasselbe galt für das Eisengitter vor der Eingangstür des Ladens, das herabgelassen wurde, wenn das Geschäft um zwei Uhr nachts schloß.
    Noch furchterregender als der bösartige Dobermann, der am Zaun des Hinterhofs auf und ab hechelte, wenn er sich nicht gerade seinen Flöhen widmete, war vielleicht der Karabiner, den Mr. Herman an der Wand des kugelsicheren Büros zur Schau stellte, um keinen potentiellen Dieb oder Einbrecher darüber im unklaren zu lassen, daß er keineswegs nur Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen bereit war.
    Drei Wochen, nachdem er sein raffiniertes Einbruchssicherungssystem fertig installiert hatte, wurde er von einem vierzig Kilo schweren Jungen auf Rollschuhen niedergeschlagen, als er nach Ladenschluß gerade in seinen Wagen steigen wollte. Dabei wurden ihm aus Socken und Unterwäsche dreitausend Dollar gestohlen.
    Danach hörte Lolly Herman mit achtzehn genähten Wunden am Kopf auf, in seinem Laden zu arbeiten, und zog sich in sein Haus in Beverly Hills zurück.
    Statt dessen sollte sich nun Easy Willis um den Laden kümmern.
    Natürlich ging von da ab das Geschäft nicht mehr so gut. Wenn Lolly Herman ihnen nicht auf die Finger sah, nahmen es Easy und die sechs anderen Angestellten nicht so genau. Sie schafften monatlich jeder einen Tausender auf die Seite, um ihr Gehalt etwas aufzubessern aber trotzdem war der Laden immer noch eine Goldgrube, und Mrs. Herman dankte insgeheim Gott, daß dieses Vierzig-Kilo-Würstchen namens Chipmunk Grimes ihrem Mann eine gehörige Lektion erteilt und ihn in Rente geschickt hatte.
    »Mama hat heute Pökelfleisch in Sülze gemacht, Calvin«, sagte Easy, nachdem die Kundin den Laden verlassen hatte. Dann schob er wortlos zwei Schachteln Camel über die Theke. »Danke, Easy, aber in letzter Zeit stehe ich nicht mehr so auf Soul-food.« Calvin steckte beide Schachteln ein; Francis rauchte zum Glück nicht.
    Natürlich wußte Easy, daß Francis nicht rauchte, aber er spielte trotzdem dieses Spiel mit, seit die beiden zum erstenmal in seinen Laden gekommen waren und Calvin Francis vorgestellt hatte: »Das ist mein neuer Partner, Easy. Er heißt Francis und raucht auch Camel.« Lolly Herman hatte angeordnet, pro Wagen zwei Schachteln zu spendieren, und Easy war es völlig egal, ob sie nun ein Polizist bekam oder zwei. Nachdem Lolly Herman sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, ließ Easy häufig sogar zwei Extraschachteln springen, und da er von Calvins Probleme mit dem Alkohol wußte, schob er ihm ab und zu auch eine Flasche Johnny Walker über die Theke.
    »Officer!« brüllte ein junger Schwarzer in einem gelben Pullover, während er in den Laden stürmte. »Auf der La Brea hat gerade so 'n Typ 'nen Radio aus 'nem Wagen geklaut!«
    »Wie lange ist das schon her?«
    »Etwa zwanzig

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