Die Chorknaben
Minuten.«
»Dann fahr doch mal auf deinen Rollschuhen zu unserem Schwarzweißen raus und weck meinen Partner auf. Er wird den Bericht aufnehmen.«
»Wollen Sie denn nicht probieren, ihn zu schnappen?«
»Wie stellst du dir das denn vor? Der Kerl ist doch inzwischen schon fast in Compton.«
»Der ist nicht aus Compton. Es war kein Schwarzer. Das war so ein Typ mit langen, blonden Haaren. Ich schätze, der gehört zu diesen Jungs, die ein Stück die Straße runter in diesem Berufsberatungsbüro arbeiten. Aber die einzigen, die davon ein bißchen Knete sehen, sind die Jungs, die dort die ganze Zeit schlau daherreden, wie man 'nen Job kriegt; und die kriegen die Moneten von der Regierung.«
»Na ja, dann werden wir eben ein Protokoll aufnehmen«, sagte Calvin ungerührt. »Und da dieses Büro heute nacht geschlossen ist, werden die Detektive morgen dort mal vorbeischauen.«
»Diese verdammten Weißen haben hier wirklich nichts zu suchen«, meinte Easy. »Die meisten von diesen Sozialarbeitern machen sowieso den Eindruck, als hätten sie nicht so recht alle beisammen. Und dann wollen die uns noch erzählen, wie wir es anpacken sollen. Wenn du mich fragst, sind das sowieso alles Kommunisten oder ähnliches Gesindel.«
»Und noch was«, fuhr der junge Bursche, an Calvin gewandt, fort. »Der Bruder, dem der Radio gehört hat, blutet am Auge. Dieser Langhaarige hat angefangen, irgendwelchen Scheiß zu fasern, als ihn der Typ, dem der Wagen gehört, bei der Arbeit überrascht hat. Und dann hat dieser weiße Wichser dem Bruder einen Mordsschwinger verpaßt, und ab ist er mit dem Radio.«
»Was hat er denn für 'nen Eindruck gemacht, als er zugeschlagen hat?« wollte Easy wissen.
»Ein übler Bursche. Mächtig schnell. Und einen Schlag wie Ali.«
»Dann war es keiner von diesen Labersäcken«, meinte Easy. »Das sind doch alles richtige Jammerlappen. Wenn du mich fragst, war das 'n echter Profi, der mal eben zufällig hier durchgekommen ist.« Nachdem er die kurze Diebstahlmeldung notiert hatte, war Francis wieder wach, und in dem Augenblick, als Calvin losfuhr, sagte er: »Wie wär's mit Code sieben?«
»Zu früh zum Essen.«
»Und wie war's, wenn wir nur auf einen Taco kurz zu Bernie reinschauen würden?«
»Na gut.« Calvin steckte sich eine Zigarette an und schnitt bei dem Gedanken an Bernies mit salziger Guacamole gefüllte Tacos, die Francis Tanaguchi wahre Freudenschauer den Rücken hinunterlaufen ließen, eine angewiderte Grimasse.
Francis suchte schließlich bei der letzten Möglichkeit Zuflucht. »Ist eigentlich das Periskop noch im Kofferraum, Calvin?« fragte er unschuldig.
»Jetzt aber mal halblang, Francis; aber wirklich!«
»Fahr doch mal kurz dort vorne an den Straßenrand. Ich möchte nur mal nachsehen.«
»Verdammt noch mal, Francis, laß endlich diesen Blödsinn. Du hast es mir versprochen.«
»Wolfgang ist heute nacht wieder allein in seinem Wagen unterwegs. Ganz allein!« Francis probierte sein unergründliches Lächeln an Calvin aus.
Wolfgang Werner, ein vierundzwanzigjähriges Prachtexemplar von einem Mann in blauer Uniform, war vor zehn Jahren aus Stuttgart in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Francis hatte einen Monat mit ihm zusammengearbeitet, bevor er mit Calvin Potts ein Team bildete. Francis hatte es nichts ausgemacht, mit Wolfgang zu arbeiten. Zu hassen begann er Wolfgang erst, als der Deutsche zu Lieutenant Finque ging und um die Zuteilung eines anderen Partners bat, und zwar aufgrund persönlicher Differenzen.
Francis fand das unverzeihlich. Bei der Polizei von Los Angeles war es üblich, die für allerlei Interpretationen offene Phrase ›persönliche Differenzen‹, hinter der sich eine ganze Reihe der unterschiedlichsten Probleme verbergen konnte, nicht näher zu hinterfragen. Oft besagte es nichts weiter, als daß sich zwei Polizisten einfach nicht ausstehen konnten und ihre Aggressionen deshalb an unschuldigen Bürgern abreagierten, wenn sie für einen zu langen Zeitraum in der enorm intimen Welt eines Streifenwagens miteinander konfrontiert wurden. Francis war außer sich, da zu viele ›persönliche Differenzen‹ dazu führten, daß ein Polizist in den Ruf gelangte, ›sich nicht so richtig einfügen zu können‹.
Die Polizei wurde immer noch von Männern geleitet, die Untergebene wollten, die ›sich einfügen konnten‹; und sie waren nach wie vor der festen Überzeugung, daß ›ein guter Gefolgsmann einen guten Führer abgibt‹.
Francis Tanaguchi hingegen
Weitere Kostenlose Bücher