Die Chorknaben
könnte.«
»Ich kapier' das nicht! Ich kapier's einfach nicht!« winselte Wasmeinstdu-Dean.
»Ich will damit nur sagen, daß Ärzte und sonstige Männer in leitenden Positionen die arrogantesten und inkompetentesten Zeugen in jedem strafrechtlichen Verfahren sind und einem mit Sicherheit jeden Fall versauen.
Ich will damit sagen, daß sich schwache und ihrer Aufgabe nicht gewachsene Eltern immer weigern werden, ihre vernachlässigten Kinder der Obhut der Behörden anzuvertrauen, weil sie die Fehler wiedergutmachen wollen, die sie an ihren anderen Kindern begangen haben, womit sich dieser Teufelskreis natürlich unweigerlich fortsetzt.
Ich will damit sagen, daß wir vielleicht letztlich doch nach wirtschaftlichen und nicht moralischen Gesichtspunkten vorgehen, und daß der Richter vielleicht gar nicht so unrecht hat, wenn man ihn anfleht, einen Kerl einzulochen, um seine Familie vor ihm zu schonen, und er darauf mit einer Gegenfrage antwortet: ›Na gut, und wen soll ich dann an seiner Stelle auf freien Fuß setzen lassen?‹«
»Was meint er? Was meint er?« brüllte Wasmeinstdu-Dean die betrunkenen Chorknaben an. Dean war inzwischen voll genug, um in einen Heulkrampf auszubrechen, und die Tränen flossen ihm bereits die Wangen herunter, als er vor krampfhaftem Schluchzen fast umgefallen wäre.
»Und ich will damit sagen, daß vielleicht irgendwann einmal das Faß einfach überläuft, wenn Polizisten auch noch in ihren Reihen mit sturen nicht anpassungsfähigen Männern zu tun haben. Und schuld an der Tatsache, daß Roscoe Rules stur, nicht anpassungsfähig und unsensibel ist, ist zum Teil vielleicht die Tatsache, daß die üblichen Verwaltungsleute bei der Polizei – Männer wie Captain Drobeck, Commander Moss und Chief Lynch – stur sind, nicht anpassungsfähig, unsensibel und …«
»Ich habe diese tuntige Bemerkung sehr wohl gehört, Baxter, du Sack!« grunzte Roscoe Rules, der immer noch nicht imstande war, auf seinen Beinen zu stehen.
»Ich will damit sagen, daß Polizisten sowohl den bösen Geistern der Gesellschaft hinterher jagen wie ihren eigenen, was mit der Zeit mehr oder weniger unerträglich wird, da so ein böser Geist letztlich nur das Spiegelbild einer Kreatur ohne das geringste Maß an Wert und Würde ist. Und daß die physischen Gefahren der Polizeiarbeit kraß überschätzt werden, während in Wirklichkeit die psychischen Gefährdungen sie zum problematischsten Job machen, den es überhaupt gibt.«
»Baxter, bitte laß das! Baxter, ich flehe dich an!« stöhnte Wasmeinstdu-Dean, dem langsam übel wurde.
»Ich will damit sagen, daß ich mich nur an zwei Dinge erinnern kann, die ich als kleiner Junge in meiner Dominikanerschule gelernt habe, in die mich meine wunderbare, weitgereiste Mutter gesteckt hat: Wenn man bei der Kommunion die Hostie mit den Zähnen berührt, ist das nicht so gut, und man sollte das möglichst vermeiden. Und die einzige unverzeihliche Sünde ist, sich selbst umzubringen, weil es in diesem Fall absolut keine Möglichkeit der Absolution und Erlösung gibt, und …«
»Was faselst du da für Blödsinn, Baxter?« fiel ihm Spermwhale Whalen ins Wort. Er hatte lange genug geschlafen, um wieder einigermaßen in der Lage zu sein, vor Morgengrauen nach Hause zu fahren, und stand plötzlich hinter Baxter.
»Spermwhale! Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr aufwachen!« Baxter Slate bedachte seinen Partner mit einem breiten Grinsen und bot ihm einen Schluck Wodka an. »Mensch, Baxter, du klingst wie so ein pseudointellektueller Pferdearsch. So etwas haut ja den stärksten Mann um. Los jetzt, ich fahr' dich nach Hause.« Spermwhale verspürte einen stechenden Schmerz über seiner Stirn, als er seinen jungen Partner hochzerrte und ihm dabei behilflich war, einigermaßen auf seinen eigenen Beinen zu stehen.
An sich war Baxter Slate nur selten solch ein pseudointellektueller Pferdearsch, aber er hatte eine lange Phase der Mutlosigkeit durchlaufen, die zum Teil darauf zurückzuführen war, daß er sich für einen unfähigen Jugendbeamten hielt.
Der Mord an Tommy Rivers war schließlich der endgültige Schicksalsschlag für seine Karriere bei der Jugendstreife gewesen, da er den Tod von Tommy Rivers vorausgesehen hatte und völlig machtlos gewesen war, ihn zu verhindern; beziehungsweise hatte er sich einzureden versucht, er wäre dagegen machtlos.
Es war auf den Tag genau drei Monate nach Tommy Rivers' Tod und etwa zwei Monate vor dem Singstundenmord, daß Baxter
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