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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Jugendbeamten. Ich wäre auf jeden Fall rein, wenn ich sie unter Verdacht gehabt hätte, daß sie mir ein anderes Kind gezeigt hat.« Diese Äußerung stammte von Pater Willie Wright.
    »Ich hätte diese Fotze einfach beiseite geschoben und nach dem Lauser gesucht.« Soweit Roscoe Rules.
    Nicht einer der Chorknaben – und er hatte jedem von ihnen diese Frage privat gestellt – hatte geäußert, er hätte keinen ausreichenden Anlaß gesehen, sich Zutritt zu dem Haus der Frau zu verschaffen. Die meisten waren einer Meinung mit Francis Tanaguchi, der achselzuckend erklärte: »Wenn die Sicherheit eines kleinen Kindes auf dem Spiel steht, kann mir dieser ganze juristische Kram gestohlen bleiben. Ich wäre in so einem Fall auf jeden Fall rein. Falls es deswegen dann vor Gericht Schwierigkeiten gibt, meinetwegen; aber ich will jedenfalls das meinige dafür getan haben, daß dem Kind nichts fehlt.« Sie fanden es absurd, sich auch noch über rechtliche Fragen den Kopf zu zerbrechen, die ihnen die Polizeiarbeit erschwerten. »Wir würden uns sonst jedesmal wegen des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten Gedanken machen, wenn wir ein ganz stinknormales Verhaftungsprotokoll ausschreiben«, stellte Spencer van Moot den Sachverhalt treffend dar.
    Und Baxter Slate gelangte zu der Überzeugung, daß dies die Einstellung der meisten Polizisten war, nicht nur der Chorknaben. Und es gab auch nicht einen Chorknaben, der nicht schon einmal vor Gericht gelogen hatte, wenn es in einem auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Fall darum ging, die Belangung eines offensichtlich schuldigen Angeklagten zu gewährleisten. Die einzige Ausnahme war auch hier wieder Baxter Slate, der auf seiner Dominikanerschule zu viel über Ehre und Wahrheit gehört hatte. Selbst Pater Willie log hin und wieder. Allerdings überkreuzte er dabei immer hinter seinem Rücken zwei Finger seiner linken Hand, wenn er dabei im Zeugenstand stand. Und im Falle Tommy Rivers' hätte Baxter Slate nicht einmal zu lügen brauchen. Er hätte nur die unverschlossene Tür zu öffnen, Lena Rivers' Haus zu betreten und ungeachtet ihrer wüsten Beschimpfungen nach Tommy zu suchen brauchen. Aber da er nur einen Verdacht hegte und sich nicht sicher war, und da er nicht glauben wollte, daß jemand so schamlos lügen konnte, da es einfach absurd war, zu glauben, Lena Rivers sollte ihm etwas vormachen, zumal sie doch noch andere gesunde Kinder hatte, und da er Baxter Slate war und nicht Roscoe Rules, zog er seinen Schwanz ein und ging einem billigen Bluff auf den Leim. Und Lena Rivers konnte völlig ungestört den schrittweisen Mord an Tommy Rivers weiter betreiben.
    Als Baxter Slate Bruce Simpsons Verhaftungsprotokoll zum ersten Mal las, klopfte sein Herz so laut, daß er tatsächlich glaubte, der Mann neben ihm müßte es schlagen hören, und er räusperte sich und scharrte betreten mit den Füßen auf dem Boden des Bereitschaftsraums. Nach dem zweiten Lesen glaubte er, sein Herz wäre stehengeblieben, so flach ging sein Atem. Beim dritten Mal war er nicht einmal mehr imstande, an sein Herz zu denken.
    Bruce Simpsons Protokoll war ein mittlerer Klassiker in Jugendpolizeikreisen, da er nicht wie die meisten Kollegen im gebräuchlichen Amtsdeutsch schrieb: ›Besagte Person erklärte …‹ Der verhaftende Beamte Simpson verfaßte statt dessen eine Schaudergeschichte ersten Ranges, die auch nicht ein grausiges Detail ausließ, ob es nun etwas zur Sache tat oder nicht.
    Simpson tat dies wegen einer Kollegin namens Doris Guber, unter deren Höschen Simpson vorzudringen trachtete und die eine Vorliebe für sexuelle Details hatte. So befragte sie jugendliche Ausreißer immer nach ihren sexuellen Praktiken und ließ in ihre Berichte ausnahmslos genaue Informationen darüber einfließen, wie oft ein rechtswidriger Penis in eine rechtswidrige Vagina eingeführt und wieder aus ihr herausgezogen wurde, was allerdings für die strafrechtliche Belangung straffälliger Jugendlicher nicht unbedingt von vorrangiger Bedeutung war.
    Doris' besonderes Interesse galt immer der Frage des Orgasmus; ob er eintrat, und wenn ja, wie stark und wie lange. Sie brauchte nur darüber zu reden, da konnte Simpson kaum mehr an sich halten; und so fing er an, seine Berichte ähnlich abzufassen.
    »Hattest du mit dem Mädchen einen Orgasmus?« fragte Doris einmal einen mindestens achtzehnjährigen schwarzen Jungen, den sie dafür belangen wollte, daß er es mit seiner Nachbarin getrieben hatte.
    »Ob ich

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