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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Beispiel Tommys sehen, was mit ihnen passieren würde, wenn Mami sie plötzlich nicht mehr lieb hätte, und folglich …« Später kamen Baxter Slate während seiner Zeit bei der Jugendpolizei immer wieder Fälle unter, in denen die Zeugen brutalste Mißhandlungen einfach ignorierten, und zwar nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene aus Nachbarschaft und Verwandtschaft. Und dann wurde Baxter Slate, ehemals römisch-katholisch, Alter sechsundzwanzig, mit zunehmender Deutlichkeit bewußt, wie zerbrechlich die menschliche Seele ist. Und er stellte fest, daß seine Seele, falls er eine hatte, im Absterben begriffen war.
    Aus ›persönlichen Gründen‹ beantragte Baxter eine Rückversetzung zur Streife; er dachte sogar daran, ganz bei der Polizei aufzuhören. Dann mußte er allerdings feststellen, daß ihm seine humanistische Schulbildung fürs harte Berufsleben nicht gerade förderlich war. Er bekam zwar ein Angebot, an einer Grundschule zu unterrichten; allerdings auch dies nur unter der Voraussetzung, daß er eine pädagogische Ausbildung vorweisen könne, was Baxter nicht konnte und auch nicht nachzuholen beabsichtigte. Und außerdem bekam man als Polizist ein besseres Gehalt.
    Also gab er sich damit zufrieden, in einer Funkstreife durch die Gegend zu kutschieren, ohne daß er, was seine Beförderung anbelangte, sonderlichen Ehrgeiz an den Tag gelegt hätte. Er lieh sich nie mehr von seiner Mutter Geld, die inzwischen zum vierten Mal geschieden war, und vor allem achtete er sorgsam darauf, daß niemand erfuhr, daß er intelligent und gebildet war, da dies Leute wie Roscoe Rules verärgern konnte.
    Baxter achtete darauf, in Gesprächen mit anderen Polizisten hin und wieder ein paar grammatikalische Unsauberkeiten einzuflechten, und wenn er sich nicht gerade während einer Singstunde betrunken hatte, verwendete er in Roscoe Rules' Gegenwart auch nie Adverbien. Schon allein deren unschuldiger Gebrauch brachte Roscoe Rules oft zur Weißglut, weil sie in seinen Ohren so verdammt tuntig klangen.
    Tommy Rivers, zu einem Fetzen Haut über einem winzigen Skelett reduziert, starb schließlich durch einen Hammerschlag, den ein gesundes Kind wahrscheinlich ohne weiteres überlebt hätte. Lena Rivers wurde verhaftet, was Bruce Simpson eine Gelegenheit bot, Doris Guber mit seiner blumigen Prosa schönzutun. Und Baxter Slate hörte bei der Jugendpolizei auf, weil er sich für den miesesten Jugendbeamten in der Geschichte der Vereinigten Staaten hielt. Zugleich intensivierte er seine Beziehung zu Foxy Farrell. Er machte erst mit ihr Schluß, als sie ihn beim Vögeln so wild in die Brust biß, daß sie ihm einen Fetzen Haut abzog. Und dann winselte sie, während sie ihn mit blutendem Mund küßte: »Das hat dir doch gefallen, Baxter! Es hat dir gefallen, du Dreckskerl! Gib's doch zu, du altes Arschloch! Soll ich's noch mal machen, hm? Oder soll ich dir erzählen, was ich gestern nacht mit Goldie gemacht habe, nachdem ich von dir weg bin? Goldies Fimmel ist so …« Und dann weinte Baxter vor Scham und Wut. Er schlug Foxy Farrell ins Gesicht, bis sich unter sein Blut auch das ihre mischte. Und dann wurden ihre Augen glasig, und sie hielt ihn an den Handgelenken, und von ihren dunklen, schmalen Lippen träufelten die Worte: »Jetzt reicht's. Ich weiß jetzt, was dir gefällt, Liebling. Ist ja schon gut. Mami weiß. Mami weiß.« Nachdem er also bei der Jugendpolizei aufgehört hatte und nicht mehr soviel an die Dinge dachte, die Foxy Farrell ihm über sich selbst beigebracht hatte – Dinge, die er nie hätte lernen sollen –, und als er sich allmählich wieder mit anderen Frauen verabredete und einem etwas normaleren Sexualleben etwas abzugewinnen versuchte, wurde Baxter Slate der erste Chorknabe, der im Dienst einen Menschen tötete. Er erschoß den ganz gewöhnlichen Typen.
    Baxter und Spermwhale trafen sich oft mit anderen North End-Wagen auf einen Kaffee, und zwar vor allem mit 7-A-29, der mit Sam Niles und Harold Bloomguard bemannt war. Wenn es nicht viel zu tun gab, waren sie für sieben Uhr abends im Drive-in am Olympic Boulevard verabredet.
    An dem Abend, an dem Baxter Slate den ganz gewöhnlichen Typen tötete, saß er wieder einmal zusammen mit Spermwhale Whalen in dem Drive-in und schäkerte mit den Bedienungen, während er seinen Kaffee schlürfte.
    Zufällig hielt neben ihnen ein gelber Porsche, dessen Fahrerin Spermwhale das Kompliment machte, ihr blondes Haar passe genau zur Farbe ihres Wagens.
    Das

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