Die Chorknaben
unwiderstehlichen Charme eines fünfundzwanzigjährigen Zuhälters namens Goldie Grant, der sie besuchen kam, so oft sie Baxter abwimmeln konnte, und schließlich ihr fester Freund wurde. Er zog zu ihr und ließ sie für sich arbeiten, indem er sie für eine Menge Geld auf den Strich schickte und zweimal im Monat ordentlich verprügelte, ob sie es brauchte oder nicht. Sie waren glücklich miteinander, und alle sagten, sie gäben ein schönes Paar ab.
Als Baxter eines Abends nicht unglücklich genug dreinschaute, erzählte ihm Foxy, ein ganz besonders netter, gutaussehender Spieler hätte sie nach der Arbeit noch auf einen Drink ausgeführt und ihr hundert Dollar angeboten, nur damit er sein Gesicht in ihren Schoß legen dürfe. Sie konnte ihn nur von seinem Vorhaben abbringen, indem sie ihm erzählte, ihr Freund sei bei der Polizei. Und was für einen Steifen der Kerl hatte! Und dann tat Foxy verletzt und schockiert, als Baxter schief grinste und sagte: »Du bist dümmer und mieser als jedes blöde Stück Vieh!« Schmollend versicherte sie ihm: »Ehrlich, Baxter, ich habe doch gar nichts gemacht.« Und dann begann sie ihr kleines Spielchen, das mit seinem erregten Stöhnen und ihrem sinnlichen Kichern endete. Aber wie sehr sie auch Baxter Slate geringschätzen mochte, machte Foxy Farrell sich doch nicht annähernd eine Vorstellung von dem Ausmaß, in dem derselbe junge Mann sich selbst einmal verachten würde.
Die Beziehung zwischen Foxy Farrell und Baxter Slate hatte begonnen, nachdem er bei der Jugendpolizei aufgehört hatte. Er machte sich schreckliche Vorwürfe, weil er den Tod von Tommy Rivers, sechseinhalb, nicht verhindert hatte.
Natürlich hätte niemand gedacht, daß Baxter Slate sich für Tommy Rivers' Schicksal irgendwie verantwortlich fühlte. Auf den Gedanken, er hätte Tommy Rivers' Tod verhindern können, kam Baxter Slate, weil er vor seiner Versetzung zur Jugendpolizei seinen ersten Funkspruch überhaupt zum Haus von Lena Rivers bekommen hatte, und zwar kurz nachdem man ihr ihren damals fünfjährigen Sohn Tommy wieder in ihre Obhut gegeben hatte. In seinem blauen Matrosenanzug hatte der kleine Junge wie Shirley Temple mit kurzen Haaren ausgesehen.
Lena Rivers hatte noch drei Kinder von dem Mann, mit dem sie in der Zeit vor Tommys Vater verheiratet war, einem untergeordneten Offizier bei der U.S. Navy. Als er sechs Monate nach Tommys Geburt wieder einmal in See stach, um diesmal jedoch nie wieder zurückzukehren, übergab Lena den Jungen ihrer Mutter zur Pflege. Sie wollte von dem Kind des Mannes, der sie so schmählich im Stich gelassen hatte, nichts mehr wissen und mußte sich sogar einer psychiatrischen Behandlung unterziehen. Fünf Jahre danach – Lenas Mutter war krank geworden und konnte sich nicht mehr um den Jungen kümmern – sah sich Lena nun gezwungen, zur Greyhound-Station in der Innenstadt von Los Angeles zu fahren, um den kleinen Matrosen dort abzuholen, der ganz allein, und ohne zu jammern, mehrere hundert Meilen mit dem Bus gefahren war und sich während der langen Fahrt die Herzen aller Mitreisenden erobert hatte.
Das erste, was Lena Rivers nach Aussage der anderen Kinder dann tat, war, Tommy den Matrosenanzug vom Leib zu reißen, sobald sie zu Hause angekommen waren. Ein paar Wochen danach wurde Baxter Slate aufgrund des Anrufs einer Nachbarin zum Haus von Lena Rivers gerufen. Die Frau hatte erzählt, daß im Haus von Lena Rivers verschiedene ältere Kinder aus der Nachbarschaft verkehrten, von denen einige wiederholte Male den Eindruck gemacht hatten, als wären sie betrunken. Außerdem hätte sich der Neuzuwachs, Tommy, äußerst selten im Freien blicken lassen; und wenn dies der Fall war, sah er sehr krank aus.
Baxter Slate, der damals während der Tagschicht und allein arbeitete, war zum Haus von Lena Rivers gefahren. Die Frau war betrunken und wirkte nicht weniger verlottert als das, was er von ihrem Heim sehen konnte. Er verlangte, ihr jüngstes Kind zu sehen und gab auch nicht klein bei, als sie protestierend erklärte, der Junge schliefe gerade.
Schließlich ließ Lena Rivers Baxter Slate doch in das Zimmer des Jungen, der sich auch tatsächlich dort aufhielt. Ungewaschen und voll bekleidet, lag er in einer Wiege, die bereits viel zu klein für ihn war. Als Baxter später zur Jugendpolizei versetzt wurde und viel mit vernachlässigten Kindern zu tun hatte, fiel ihm wieder ein, daß Tommy Rivers' Hose damals ausgesehen hatte, als wäre sie völlig flach auf sein
Weitere Kostenlose Bücher