Die Chorknaben
hackt ihr alle so auf mir herum? Hm? Kannst du mir das vielleicht sagen?« Sie gaben es schließlich auf und ließen Wasmeinstdu-Dean seinen Wodka austrinken, woraufhin er binnen drei Minuten völlig vergessen hatte, daß alle auf ihm herumgehackt hatten und daß Harold Bloomguard allein und fast völlig nackt bei den Enten auf Duck Island herumsaß. Bis auf Sam Niles hatten im übrigen alle binnen kurzem Harold Bloomguard wieder vergessen, und auch Sam Niles sollte sich noch wünschen, er hätte lieber nicht an seinen Partner gedacht.
Um fünf Uhr morgens, als nur noch die zwei Mädchen und drei der Chorknaben übrig waren – sie lagen auf den mitgebrachten Decken herum – zog Sam Niles sich aus und watete durch den Schlick zur Enteninsel, wo er die schlafenden Entlein von Harold Bloomguards bibberndem Körper scheuchte, ihn wachrüttelte und dann durch das kalte, schmutzige Wasser zu seiner Decke und seinen Kleidern schleppte. Dann gelangte Sam allerdings zu dem Schluß, daß Harold eindeutig zu dreckig war, um ihn in seinen Ferrari zu packen. Also brach er das Schloß an der Tür eines Geräteschuppens der Parkverwaltung auf und zerrte einen Gartenschlauch daraus hervor. Dann zwang er den vor Kälte zitternden Harold Bloomguard, sich auf den Rasen zu stellen, und spritzte ihn von Kopf bis Fuß ab, bevor er ihn mit den Decken abtrocknete und anzog. »Ich hätte dir so etwas nie angetan, Sam!« protestierte Harold, als ihn der unerbittliche Wasserstrahl traf, so daß seine Hoden zu Bucheckern schrumpften.
»Glaubst du, ich lasse dich so voll grüner schleimiger Entenscheiße in meinen Ferrari«, knurrte Sam Niles, der von monströsen Kopfschmerzen geplagt wurde.
»Immerhin habe ich dir einen schönen Batzen Geld für die Anzahlung geliehen!« erinnerte ihn Harold und zuckte zusammen, als ihn der Strahl an den Bucheckern traf. Sein entsetztes Aufkreischen weckte Roscoe Rules, der die zwei halbnackten Männer vor dem Geräteschuppen für zwei Schwule hielt, die sich im Park tummelten. Mit einem lauten Rülpser legte Roscoe los: »Macht mal lieber nicht so viel Krach, ihr verdammten Scheißtunten, sonst könnt ihr eure Zähne einzeln einsammeln!« Und dann schlief er auf der Stelle wieder ein.
Als Harold einigermaßen sauber war, schwor sich Sam Niles, daß er sich Harold Bloomguard eines Tages irgendwie vom Hals schaffen würde. Seiner Auffassung nach hatte dieser Kerl etwas mehr als nur eine leichte Macke.
Manchmal hatte Sam Niles das Gefühl, als hätte er Harold Bloomguard immer schon am Hals gehabt, als wäre schon von den frühesten Anfängen seines Lebens an eine kleine Gestalt neben ihm gewesen, die mit ihren rehbraunen Augen blinzelte, ihre Fingerknöchel knacken ließ, ständig mit dem Taschenmesser an einem pickligen Hautausschlag am Hals herumschabte und, was am schlimmsten war, ohne es selbst zu merken, seine Zunge zusammenrollte, und damit kleine Spuckebläschen in die Welt blies.
»Das macht einen ja ganz krank!« hatte Sam Niles Harold Bloomguard in den sieben Jahren, in denen er ihn kannte, sicher schon tausendmal zu verstehen gegeben. »Wirklich übel kann einem davon werden!« Und Harold Bloomguard würde ihm zustimmen und versprechen, es nie wieder zu tun; und jedesmal, wenn er wieder einmal aufgrund einer der mehreren hundert neurotischen Ängste, mit denen er zu leben hatte, nervös oder konfus oder verängstigt war, würde er einfach dasitzen und sich Sorgen machen, und dann würde sich seine Zunge zusammenrollen und von seinem Mund würden kleine, runde, schimmernde Speichelkügelchen tropfen.
Sam Niles wurde klar, daß er mit sechsundzwanzig Jahren, nur vier Monate älter als Harold Bloomguard, eine Vaterfigur für diesen war. Dies war schon seit Vietnam so gewesen, als Harold Bloomguard mehr oder weniger versucht hatte, sich lebenslang an Sam Niles zu hängen. Er schied zwei Monate nach Sam aus der Army aus und schloß sich wie dieser nach seiner Rückkehr nach Pomona in Kalifornien, wo Harolds Vater als Anwalt arbeitete und seine Mutter in einer Nervenklinik untergebracht war, der Polizei von Los Angeles an.
Es war immer dasselbe. Harold bat Sam, ihm zu helfen, seinen letzten symbolträchtigen Traum zu deuten, woraufhin Sam immer geltend machte, Harold solle doch einen Psychiater konsultieren, wenn er wirklich Angst davor habe, wie seine Mutter in der Klapsmühle zu enden. Das Problem war nur, daß Harold Bloomguard der festen Überzeugung war, daß vor allem die wöchentlichen
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