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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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selbst in den Mund stecken«, wütete Spermwhale Whalen weiter, während er unbewußt an mindestens zehn Männer dachte, mit denen er zusammengearbeitet hatte und die auf diese Weise ihren Abschied genommen hatten.
    »Ich würde mich schämen, ein Mitglied dieser Abteilung zu sein, wenn die Protective League je eine richtige Gewerkschaft werden sollte«, erklärte Lieutenant Finque feierlich. Wie alle höheren Polizeibeamten aus der Mittelschicht hegte auch er tiefstes Mißtrauen gegenüber allem, was irgendwie nach Gewerkschaft aussah.
    »Bleiben Sie mir doch mit Ihrer Protective League vom Hals!« schimpfte Spermwhale Whalen. »Die streicht doch nur unsere Beiträge ein, damit die hohen Herren schön bei Kerzenlicht und Wein dinieren können, während ich mir in Fat Ass Charlie's Soul Kitchen Bohnensuppe reinwürgen kann.«
    »Ich dachte immer, du stündest auf Soul food, Spermwhale«, grinste Calvin Potts.
    »Wir sollten die Scheißstadtverwaltung für jede Beitragserhöhung verklagen«, fuhr Spermwhale fort. »Ich hab's satt, die Beiträge für die Protective League zu zahlen. Da garantiert mir doch eine zwei Jahre alte Packung Gummis mehr Schutz!«
    »Was würdet ihr davon halten, das Thema zu wechseln?« schaltete sich Sergeant Nick Yanov ein, während sich der Lieutenant an seinen pochenden Schädel faßte und sich vornahm, Spermwhale Whalens Personalakte noch einmal durchzusehen, um sich Klarheit zu verschaffen, wie viele Monate dieser aufmüpfige Kerl noch bis zu seiner Pensionierung hatte. Und den Captain zu ersuchen, ob es nicht eine Wache gab, zu der sie ihn bis dahin versetzen konnten. Er dachte dabei zum Beispiel an das West-Valley-Revier, das vierzig Kilometer entfernt war.
    Lieutenant Finques Augen fingen an, so rot und glasig zu werden, wie die von Roscoe Rules es ständig waren. In letzter Zeit klebte dem Lieutenant außerdem ständig weißer Speichel in den Mundwinkeln, da er mehr oder weniger unablässig Übersäuerungstabletten lutschte.
    »Ich werde sofort das Thema wechseln, das Thema wechseln«, verkündete Lieutenant Finque in etwas eigenartigem Ton. »Der Captain hat das Schließfach für die Gewehre inspiziert und dabei eines entdeckt, dessen Lauf bis oben hin mit Zigarren vollgestopft war! Wenn so etwas noch einmal vorkommt, wird mir dafür jemand büßen!« Niemand mußte sich nach Spermwhale umwenden, welcher der einzige Zigarrenraucher der Nachtschicht war. »Die jungen Polizisten, die sie heutzutage anstellen, klauen einem ja wirklich alles«, brachte Spermwhale zu seiner Entschuldigung vor. »Da muß man seine Sachen doch irgendwo verstecken, Lieutenant.« Lieutenant Finque hatte in letzter Zeit etwas abgenommen. Zurückzuführen war dies auf seine Migräneanfälle, seinen übersäuerten Magen und sein Unvermögen, sich bei Captain Drobeck lieb Kind zu machen. Obwohl Lieutenant Finque alles versucht hatte, sich beim Captain einzuschmeicheln, hatte Captain Drobeck in diesem Moment schon drei Einladungen zum Abendessen ausgeschlagen. Darüber hinaus wußte der Lieutenant, daß er möglichst klaren Kopf behalten sollte, um sich täglich drei Stunden auf das bevorstehende Beförderungsexamen zum Captain vorbereiten zu können. Dazu war es unter anderem nötig, sich seine Frau und seine drei Kinder möglichst vom Leib zu halten. Und dann mußte er sich im Dienst noch mit solch aufmüpfigen Unruhestiftern wie Spermwhale Whalen herumschlagen.
    »Sehen wir uns mal die Verbrechensberichte an«, schlug der Lieutenant vor und griff nach einem Stapel Papiere. »Hier haben wir einen tätlichen Angriff auf eine High-School-Lehrerin. Da steht, sie begann gerade ihre dritte Periode, als …«
    »Ist das nicht ein bißchen spät?« kicherte Francis Tanaguchi dazwischen, woraufhin Lieutenant Finque krampfartig zusammenzuckte und das Protokoll zerriß. Dann blinzelte er mehrere Male hilflos mit den Augen, da er den Faden nicht wiederfinden konnte. »Dieses Protokoll ist einfach unmöglich. Eine unglaubliche Schlamperei. Von wem ist es eigentlich?« Seine Augen waren so wäßrig, daß er den Namen des ausstellenden Beamten nicht lesen konnte.
    »Ich habe es doch extra mit Bleistift ausgefüllt, um nachträglich die Rechtschreibfehler ausbessern zu können, Sir«, meldete sich der Schuldige, Harold Bloomguard.
    »Ach ja … es geht da so ein Gerücht herum.« Lieutenant Finque vergaß plötzlich die Verbrechensmeldungen und ging zu einer Notiz in seinem Ordner über. »Möglicherweise wird es heute

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