Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
Sitzungen bei einem dieser Kopfschrumpfer daran schuld waren, daß seine Mutter in die Nervenklinik hatte eingeliefert werden müssen; denn bis ihr die Segnungen der Psychotherapie zuteil wurden – Harold befand sich zu diesem Zeitpunkt in Übersee – war seine Mutter nichts weiter als ein bißchen neurotisch. Und so wurde Sam Niles zum einzigen Psychiater, den Harold Bloomguard je konsultierte, und dies war schon so, seit Sam sich dazu hinreißen lassen hatte, sich des dürren, schwächlichen, kleinen Soldaten etwas anzunehmen.
    Wie es die Ironie des Schicksals wollte, hatte Sam Niles es Harold Bloomguard zu verdanken, daß er vorübergehend zur Sitte versetzt wurde, wie er sich das schon immer gewünscht hatte. Als er nämlich vom Lieutenant der Sitte gebeten wurde, zwei Wochen für ihn zu arbeiten, weil die Damen vom Straßenstrich allmählich die Gesichter seiner Leute zur Genüge kannten, hatte Harold den Lieutenant mit der Antwort überrascht: »Ich weiß, daß ich nicht gerade wie ein Polizist aussehe; klein und unscheinbar wie ich bin. Aber wieso nehmen Sie nicht auch meinen Partner Sam Niles? Der sieht auch nicht aus wie ein Polizist.«
    »Das soll wohl ein Witz sein«, meinte darauf Lieutenant Handy. »Das ist doch dieser dunkelhaarige Bursche mit dem Schnauzer, oder nicht?«
    »Ja.«
    »Dem ist doch der Polizist auf hundert Meter Entfernung anzusehen.«
    »Aber er trägt eine Brille, Sir«, beharrte Harold Bloomguard. »Und es gibt nicht allzu viele Polizisten, die eine Brille tragen.«
    »Das geht auf keinen Fall. Die Mädchen würden ihm den Polizisten auf der Stelle ansehen. Sie sind der Mann, den ich brauche. Wir werden Ihnen einen Brooks-Brothers-Anzug anziehen, und sie werden sich auf Sie stürzen wie die Fliegen.«
    »Wie Sie meinen, Sir«, entgegnete Harold schüchtern. »Ich weil? das durchaus zu schätzen. Sie sind seit viereinhalb Jahren der erste, der vorgeschlagen hat, mich in Zivilkleidung zu stecken. Und ich weiß das wirklich zu schätzen. Aber …«
    »Ja?«
    »Wissen Sie, Sam und ich waren in Nam bei derselben Einheit. Und hier in der Wilshire-Station fahren wir schon seit Jahren denselben Streifenwagen …«
    »Also gut; wenn Sie unbedingt meinen. Ich brauche sowieso noch zwei Uniformierte für die nächsten zwei Wochen. An sich hatte ich mich dabei schon für Baxter Slate entschieden. Ihm scheinen die Frauenherzen ja nur so zuzufliegen. Außerdem wollte ich noch einen Mann von der Tagschicht. Aber wenn Sie unbedingt Sam Niles dabeihaben wollen, einverstanden. Soll er für den Neuling von der Tagschicht einspringen.«
    »Das ist großartig, Lieutenant«, schwärmte Harold. »Sie werden diese Entscheidung sicher nicht bereuen. Sam ist der beste Polizist, mit dem ich je gearbeitet habe. Und außerdem ein prima Kumpel.«
    »Ja, ja, schon gut. Wir werden Sie bis Mitte August brauchen. Sozusagen für einen kleinen Kreuzzug gegen die Straßenmädchen. In alles Weitere werde ich Sie später einweihen.« Sam Niles wußte nichts von Haralds Unterredung mit dem Lieutenant von der Sitte und war ziemlich baff, als er hörte, daß auch Harold Bloomguard für den Auftrag eingeteilt war.
    »Schon seit dreizehn Monaten versuche ich, mal einen Job bei der Sitte zu kriegen«, äußerte Sam Niles seinem Partner gegenüber, nachdem er von seinem Glück erfahren hatte. »Ich möchte nur wissen, wie die dazu kommen, auch dich zu nehmen?«
    »Keine Ahnung, Sam«, zuckte Harold mit den Achseln. »Vermutlich habe ich mich auch hier wieder mal erfolgreich an deinen Rockzipfel gehängt.«
    Aber vorher hatten Sam Niles und Harold Bloomguard noch ein Erlebnis, das Sam Niles dazu veranlaßte, eine Singstunde einzuberufen. Das war vor ihrem Einsatz bei der Sittenpolizei und vor dem Augustmord im Mac Arthur Park. Sam und Harold trafen auf den ›Stöhnenden Mann‹.
    Sie machten einen guten Fang an jenem Abend, kaum daß sie fünf Minuten die Wache verlassen hatten – oder besser: Fast hätten sie einen guten Fang gemacht. Es war vier Uhr nachmittags. Zweifellos ging es dem mageren Fixer in dem langärmeligen Hemd, den sie in der Fourth/Ecke Ardmore sahen, nicht gerade gut. Und der Kerl mußte an der Nadel hängen, wie er so schwach und erbärmlich an der Straße stand, daß er nicht einmal den Schwarzweißen sah, der mit Sam Niles am Steuer und Harold Bloomguard neben ihm die Straße herunterglitt.
    Der Fixer war ein Mexikaner; groß, ausgemergelt, und Augen wie schlammiges Wasser. Er hatte sich erst kürzlich

Weitere Kostenlose Bücher