Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
sogar, daß ich mitgehe – dieser Stab hat mich neugierig gemacht.«
Sturm nickte. Dann sah er Tanis an und lächelte sein seltenes, melancholisches Lächeln. »Willkommen zu Hause«, sagte der Ritter.
»Das gleiche gilt auch dir.« Der Halb-Elf grinste.
Sie verhielten plötzlich, denn sie waren in der Dunkelheit mit Caramon zusammengestoßen.
»Ich glaube, wir sind da«, sagte Caramon.
Im Schein der Straßenlaternen in den Ästen konnten sie Tolpan erkennen, der wie ein Gossenzwerg einen Ast hochkletterte. Die anderen folgten ihm langsamer, Caramon half seinem Bruder. Tanis, der vor Schmerz seine Zähne zusammenbiß, kletterte langsam durch das spärlicher werdende Herbstlaub. Tolpan zog sich mit der Geschicklichkeit eines Einbrechers über das Geländer der Veranda. Der Kender glitt zur Tür und spähte in alle Richtungen des Brückenpfads. Als er niemanden sah, winkte er den anderen zu. Dann untersuchte er das Türschloß und lächelte zufrieden vor sich hin. Der Kender holte etwas aus einem seiner Beutel. Innerhalb von Sekunden war die Tür von Tikas Haus geöffnet.
»Kommt rein«, sagte er, als wäre er der Gastgeber.
Sie versammelten sich in dem kleinen Haus, der hochgewachsene Barbar war gezwungen, seinen Kopf einzuziehen, um nicht an die Decke zu stoßen. Tolpan zog die Vorhänge vor die Fenster. Sturm fand für die Dame einen Stuhl, und ihr Begleiter stellte sich hinter ihr auf. Raistlin schürte das Feuer.
»Wir müssen Wache halten«, sagte Tanis. Caramon nickte. Der Krieger hatte sich bereits vor einem Fenster aufgebaut und starrte in die Dunkelheit hinaus. Das Licht einer Laterne schien durch die Vorhänge in den Raum und warf dunkle Schatten an die Wände.
Tanis ließ sich nieder. Seine Augen wanderten zu der Frau. »Der blaue Kristallstab«, sagte er bedächtig, »hat diesen Mann geheilt.Wie?«
»Ich weiß es nicht.« Sie zögerte. »Ich... ich habe ihn noch nicht sehr lange.«
Tanis sah auf seine Hände. Sie bluteten immer noch an den Stellen, wo das Tau seine Haut aufgerissen hatte. Er hielt sie ihr hin. Mit blassem Gesicht berührte die Frau ihn langsam mit dem Stab, der blau zu leuchten begann. Tanis fühlte einen leichten
Schock durch seinen Körper kribbeln. Er beobachtete, wie das Blut von den Handflächen verschwand, die Haut glatt und unversehrt wurde, der Schmerz nachließ und bald ganz aufhörte.
»Wahres Heilen!« sagte er ehrfürchtig.
Die offene Tür - Flucht in die Dunkelheit
R aistlin setzte sich neben den Herd und wärmte seine mageren Hände an dem kleinen Feuer. Seine goldenen Augen leuchteten heller als die Flammen, während er wie gebannt auf den blauen Kristallstab starrte, der über dem Schoß der Frau lag.
»Was denkst du?« fragte Tanis.
»Falls sie ein Scharlatan ist, dann ein sehr guter«, kommentierte Raistlin nachdenklich.
»Wurm! Du wagst es, die Tochter des Stammeshäuptlings als Scharlatan zu bezeichnen!« Der riesige Barbar trat zu Raistlin,
seine Augenbrauen finster zusammengezogen. Caramon stieß einen leisen, grollenden Ton aus, bewegte sich vom Fenster weg und stellte sich hinter seinen Bruder.
»Flußwind ...« Die Frau legte ihre Hand auf den Arm des Mannes. »Bitte. Er meint es nicht so. Und es ist nur recht, daß sie uns nicht trauen. Sie kennen uns nicht.«
»Und wir kennen sie nicht«, knurrte der Mann.
»Dürfte ich ihn ansehen?« fragte Raistlin.
Goldmond nickte und hielt ihm den Stab entgegen. Der Magier streckte seinen langen, knochigen Arm aus, seine dürren Hände grapschten gierig nach dem Stock. Als Raistlin ihn jedoch berührte, blitzte ein blaues Licht auf, und ein knisterndes Geräusch ertönte. Der Magier riß seine Hand zurück und schrie vor Schmerz auf. Caramon sprang vor, aber sein Bruder hielt ihn zurück.
»Nein, Caramon«, flüsterte Raistlin heiser und hielt seine verletzte Hand fest. »Die Dame hat damit nichts zu tun.«
Die Frau starrte erstaunt auf den Stab.
»Was ist es dann?« fragte Tanis atemlos. »Ein Stab, der heilt und zugleich Wunden zufügt?«
»Er kennt sich selbst kaum«, Raistlin befeuchtete seine Lippen, seine Augen glänzten. »Paßt auf! Caramon, nimm den Stab.«
»Ich nicht!« Der Kämpfer wich wie vor einer Schlange zurück.
»Nimm den Stab«, befahl Raistlin.
Widerstrebend streckte Caramon eine zitternde Hand aus. Sein Arm zuckte, als seine Finger immer näher kamen. Er schloß die Augen und biß die Zähne in Erwartung des Schmerzes zusammen, als er den Stab berührte. Nichts
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