Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
zu tanzen, so daß er Zeit zum Ausruhen hatte. Raistlin war unschlüssig, trotzdem nähte sich Tika ein solch verführerisches Kostüm, daß Caramon ganz und gar gegen diesen Plan war. Aber Tika lachte ihn nur aus. Ihr Tanz war ein Erfolg und erhöhte die Einnahmen gewaltig. Raistlin baute sie unverzüglich in sein Programm ein.
Als der Magier herausfand, daß das Publikum diese Ablenkung genoß, dachte er sich weitere aus. Caramon, der vor Wut errötete, wurde überredet, Kraftakte vorzuführen. Der Höhepunkt war, daß er den stämmigen William mit einer Hand über seinen Kopf hob.Tanis versetzte das Publikum mit seiner Elfenfähigkeit in Erstaunen, in der Dunkelheit zu ›sehen‹. Aber erschrocken war Raistlin, als Goldmond eines Abends zu ihm kam, als er gerade die Einnahmen der Vorstellungen zählte.
»Ich würde heute abend gern singen«, sagte sie.
Raistlin sah sie ungläubig an. Seine Augen wanderten zu Flußwind. Der große Barbar nickte widerstrebend.
»Du hast eine kraftvolle Stimme«, sagte Raistlin und schob das Geld in einen Beutel. »Ich erinnere mich ganz gut. Das letzte Lied, das ich dich singen hörte, es war im Wirtshaus Zur letzten Bleibe, führte zu einem Aufruhr, bei dem wir beinahe getötet worden wären.«
Goldmond errötete und erinnerte sich an das schicksalhafte Lied, das sie zu der Gruppe geführt hatte. Mit finsterem Blick legte Flußwind seine Hand auf ihre Schulter.
»Laß uns gehen!« sagte er barsch und funkelte Raistlin an. »Ich habe dich gewarnt...«
Aber Goldmond schüttelte trotzig den Kopf und hob gebieterisch ihr Kinn. »Ich werde singen«, sagte sie kühl, »und Flußwind wird mich begleiten. Ich habe ein Lied geschrieben.«
»Na schön«, schnappte der Magier und ließ den Geldbeutel in seinem Gewand verschwinden. »Wir werden es heute abend versuchen.«
An diesem Abend war das Wirtshaus zum Flötenden Eber überfüllt. Es war ein gemischtes Publikum – kleine Kinder mit ihren Eltern, Matrosen, Drakonier, Goblins und mehrere Kender, deren Anwesenheit alle Gäste dazu veranlaßte, besonders gut auf ihre Sachen aufzupassen.William und zwei Gehilfen liefen geschäftig herum und brachten Getränke und Essen. Dann begann die Vorstellung.
Die Menge klatschte über Raistlins springende Münzen, lachte über ein illusioniertes Schwein, das über die Theke tanzte, und sprang entsetzt von den Stühlen, als ein riesiger Troll durch ein Fenster donnerte. Der Magier verbeugte sich und verschwand.Tika erschien.
Die Menge, insbesondere die Drakonier, jubelten über Tikas Tanz und knallten ihre Krüge auf die Tische.
Dann kam Goldmonds Auftritt. Sie war in ein hellblaues Gewand gekleidet. Ihr silbriggoldenes Haar floß über ihre Schultern wie schimmerndes Wasser im Mondschein. Die Menge verstummte sofort. Sie setzte sich auf einen Stuhl auf einem Podest, das William schnell gebaut hatte. Sie war so schön, daß die Zuschauer nicht einmal murmelten.Alle warteten gespannt.
Flußwind setzte sich ihr zu Füßen. Er führte eine handgeschnitzte Flöte an seine Lippen und begann zu spielen, und nach einigen Momenten verschmolz Goldmonds Stimme mit der Flöte. Ihr Lied war einfach, die Melodie süß und harmonisch und dennoch betörend. Aber es waren die Worte, die Tanis’ Aufmerksamkeit erregten und ihn besorgte Blicke mit Caramon tauschen ließ. Raistlin, der neben ihm saß, ergriff Tanis’ Arm.
»Das habe ich befürchtet«, zischte der Magier. »Wieder ein Aufruhr!«
»Vielleicht nicht!« sagte Tanis. »Schau dich mal um.«
Frauen lehnten ihre Köpfe an die Schultern ihrer Männer, Kinder waren ruhig und aufmerksam. Die Drakonier schienen
verzaubert – wie wilde Tiere, die manchmal von Musik beeinflußt werden. Nur die Goblins scharrten mit den Füßen und schienen gelangweilt, aber in ihrer Angst vor den Drakoniern trauten sie sich nicht, zu protestieren.
Goldmonds Lied erzählte von den uralten Göttern. Es berichtete davon, wie die Götter die Umwälzung herbeigeführt hatten, um Istars Königspriester und die Bewohner von Krynn für ihren Hochmut zu bestrafen. Goldmond sang über das Entsetzen jener Nacht und die Folgen. Sie erinnerte daran, wie die Leute, die sich fallengelassen fühlten, zu den falschen Göttern gebetet hatten. Dann gab sie ihnen eine Botschaft der Hoffnung: Die Götter hatten sie nicht fallengelassen. Die wahren Götter waren hier und warteten nur auf jemanden, der ihnen zuhören würde.
Als das Lied zu Ende war und das wehmütige Klagen der
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