Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
Griff. Die Kugel verschwand! Der Raum verschwand! Raistlin sah nichts um sich herum! Kein Licht. Keine Dunkelheit. Nichts! Nichts... außer den zwei Händen, die seine festhielten.Aus schierem Entsetzen heraus konzentrierte sich Raistlin auf diese Hände.
Menschlich? Elfisch?Alt? Jung? Er konnte es nicht sagen. Die Finger waren lang und schlank, aber ihr Griff war der Griff des Todes.Wenn sie ihn loslassen würden, würde er in die Leere fallen und treiben, bis ihn barmherzige Dunkelheit zerstören würde. Doch während er an diesen Händen haftete, wurde Raistlin klar, daß diese Hände ihn näher heranzogen, ihn heranzogen, in... in...
Raistlin kam zu sich, als hätte jemand kaltes Wasser über sein Gesicht gespritzt. Nein, teilte er dem Geist der Hände mit. Ich komme nicht mit! Obwohl er sich fürchtete, den rettenden Griff zu verlieren, fürchtete er noch mehr, irgendwo hingezogen zu werden, wo er um keinen Preis hin wollte. Er würde nicht locker lassen. Ich werde die Kontrolle behalten, sagte er dem Geist der Hände. Er verstärkte seinen eigenen Griff und nahm seine ganze Kraft, seinen ganzen Willen zusammen und zog die Hände zu sich!
Die Hände hielten inne. Einen Moment lang wetteiferten die beiden Willen, miteinander verwoben in einem Kampf um Leben und Tod. Raistlin spürte die Kraft aus seinem Körper weichen, seine Hände schwächer werden, seine Handflächen begannen zu schwitzen. Er spürte, wie die Hände der Kugel ihn ganz langsam wieder zogen. Er litt Höllenqualen, als er in seinem zerbrechlichen Körper jeden Blutstropfen aufbot, jeden Nerv konzentrierte, jeden Muskel opferte, um die Kontrolle zurückzugewinnen.
Langsam... langsam..., gerade als er dachte, daß sein klopfendes
Herz in seiner Brust zerspringen oder sein Gehirn in Feuer explodieren würde, hörten die Hände auf zu ziehen. Sie behielten immer noch ihren festen Griff bei, so wie er seinen festen Griff beibehielt. Aber die beiden Händepaare kämpften nicht mehr miteinander. Seine Hände und die der Kugel blieben miteinander verbunden, jedes respektierte den anderen – keines suchte Vorherrschaft.
Die Ekstase des Sieges, die Ekstase der Magie strömte durch Raistlin und sprudelte hervor, hüllte ihn in warmes, goldenes Licht ein. Sein Körper entspannte sich. Zitternd spürte er, daß die Hände ihn sanft hielten, ihn unterstützten, ihm Kraft gaben.
Was bist du?, fragte er stumm. Bist du gut? Böse?
Weder noch. Ich bin nichts. Ich bin alles. Die Essenz der Drachen, vor langer Zeit gewonnen, das bin ich.
Wie funktionierst du?, fragte Raistlin. Wie kontrollierst du die Drachen?
Wenn du es befiehlst, werde ich sie zu mir rufen. Sie können meinem Ruf nicht widerstehen. Sie werden gehorchen.
Werden sie von ihren Meistern weiter abhängen?Werden sie meinem Befehl gehorchen?
Das hängt von der Stärke des Meisters und dem Band zwischen den beiden ab. In einigen Fällen ist es so stark, daß der Meister die Kontrolle über den Drachen behalten kann. Aber die meisten werden tun, was du von ihnen verlangst. Sie können nicht anders.
Damit muß ich mich näher befassen, murmelte Raistlin, der spürte, daß er schwächer wurde. Ich verstehe nicht...
Sei unbesorgt. Ich helfe dir. Nun, da wir miteinander verbunden sind, kannst du meine Hilfe oft in Anspruch nehmen. Ich kenne viele, seit langem vergessene Geheimnisse. Sie können dir gehören.
Was für Geheimnisse?... Raistlin merkte, wie er das Bewußtsein verlor. Die Anspannung war zu stark. Er rang mit sich, seinen Griff an den Händen zu behalten, aber schaffte es nicht.
Die Hände hielten ihn sanft fest, so wie eine Mutter ein Kind festhält.
Entspanne dich, ich lasse dich nicht fallen. Schlaf. Du bist müde.
Sag es mir! Ich muß es wissen!, schrie Raistlin stumm.
Du mußt dich ausruhen, ich werde dir nur soviel sagen: In der Bibliothek des Astinus von Palanthas befinden sich Bücher, Hunderte von Büchern, von den alten Magiern in den Tagen der Verlorenen Schlacht dorthin gebracht. Für alle, die sich diese Bücher ansehen, scheinen sie nur Enzyklopädien der Magie zu sein, langweilige Geschichten von Magiern, die in den Höhlen der Zeit gestorben sind.
Raistlin sah die Dunkelheit auf sich zukommen. Er klammerte sich an die Hände.
Was enthalten die Bücher wirklich?, wisperte er.
Dann wußte er es, und mit diesem Wissen stürzte die Dunkelheit über ihm zusammen wie die Welle eines Ozeans.
In einer Höhle in der Nähe des Wagens, im Schatten verborgen,
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