Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
Eurer Länder berauben. Und Derek würde sich freuen«, fügte er düster hinzu.
Während Gunther einen tiefen Schluck von seinem Wein nahm, musterte er den jungen Mann. Sturm nippte bloß aus Höflichkeit, hielt den Krug mit sichtbar zitternder Hand. Gunther
legte seine Hand freundlich auf Sturms Schulter und schob den jungen Mann sanft in einen Stuhl.
»Hast du in der Vergangenheit versagt, Sturm?« fragte Gunther.
Sturm sah auf, seine braunen Augen flackerten. »Nein, mein Fürst«, antwortete er. »Das habe ich nicht. Ich schwöre es!«
»Dann brauche ich mich nicht vor der Zukunft zu fürchten«, sagte Fürst Gunther lächelnd. Er hob seinen Krug. »Ich bürge für dein Glück in der Schlacht, Sturm Feuerklinge.«
Sturm schloß die Augen. Die Anspannung war zu stark gewesen. Er ließ seinen Kopf auf den Arm fallen und weinte – sein Körper schüttelte sich in qualvollem Schluchzen. Gunther faßte an seine Schulter.
»Ich verstehe...«, sagte er, seine Augen sahen zurück in eine Zeit in Solamnia, als der Vater dieses jungen Mannes zusammengebrochen war und genauso geweint hatte – in der Nacht, als Fürst Feuerklinge seine junge Frau und seinen kleinen Sohn ins Exil geschickt hatte – auf eine Reise, von der sie nie wieder zu ihm zurückkehren sollten.
Erschöpft schlief Sturm schließlich ein, sein Kopf ruhte auf dem Tisch. Gunther saß bei ihm und schlürfte am heißen Wein, verloren in Erinnerungen an die Vergangenheit, bis auch er einschlummerte.
Die wenigen Tage, bevor die Armee nach Palanthas aufbrechen sollte, vergingen für Sturm wie im Flug. Er mußte eine Rüstung finden – eine gebrauchte, denn eine neue konnte er sich nicht leisten. Er packte die seines Vaters sorgfältig ein, um sie mitzunehmen, da er sie nicht mehr tragen durfte. Dann gab es Versammlungen zu besuchen, Schlachtaufstellungen zu besprechen, Informationen über den Feind zu sammeln.
Die Schlacht um Palanthas würde eine bittere sein, da mit ihr entschieden würde, wer die Kontrolle über den gesamten nördlichen Teil von Solamnia erhalten würde. Die Anführer mußten sich über die Strategie einig werden. Sie wollten die Stadtmauern mit den Stadtsoldaten sichern. Die Ritter selbst würden den
Turm des Oberklerikers besetzen, der den Paß durch die Vingaard-Berge blockierte. Aber das waren die einzigen Punkte, über die man sich einigen konnte. Die Zusammenkünfte der drei Anführer waren angespannt, die Atmosphäre eisig.
Schließlich kam der Tag, an dem die Schiffe ablegen sollten. Die Ritter versammelten sich an Bord. Ihre Familien standen ruhig am Ufer. Obwohl die meisten gefaßt schienen, gab es Tränen, doch standen die Frauen genauso ernst und mit zusammengepreßten Lippen da wie ihre Männer. Einige Frauen trugen Schwerter um ihre Taillen. Alle wußten, wenn die Schlacht im Norden verlorengehen würde, würde der Feind über das Meer kommen.
Gunther stand am Pier, in seine glänzende Rüstung gekleidet, unterhielt sich mit den Rittern und verabschiedete sich von seinen Söhnen. Er und Derek tauschten einige rituelle Worte aus, so wie es der Maßstab vorschrieb. Er und Fürst Alfred umarmten sich steif. Schließlich machte Gunther Sturm ausfindig. Der junge Ritter, in die einfache, schäbige Rüstung gekleidet, stand etwas abseits von der Menge.
»Feuerklinge«, sagte Gunther leise, als er sich ihm näherte, »ich wollte dich die ganze Zeit etwas fragen, fand aber in den letzten verbliebenen Tagen keine Zeit dazu. Du hast diese Freunde von dir erwähnt, daß sie nach Sankrist kommen würden. Sind einige darunter, die als Zeugen vor dem Kapitel aussagen könnten?«
Sturm schwieg. Einen Augenblick lang war die einzige Person, an die er denken konnte, Tanis. Seine Gedanken waren in den vergangenen aufreibenden Tagen bei seinem Freund gewesen. Er hatte sogar die leise Hoffnung, daß Tanis nach Sankrist kommen würde.Aber die Hoffnung hatte sich nicht erfüllt.Wo auch immer Tanis war, er hatte seine eigenen Probleme, war eigenen Gefahren ausgesetzt. Dann gab es noch eine andere Person, die er gern wiedergesehen hätte, obwohl das unwahrscheinlich war. Geistesabwesend legte Sturm seine Hand auf den Sternenjuwel, der um seinen Hals an seiner Brust hing. Er
konnte seine Wärme fast spüren, und er wußte – ohne zu wissen, warum –, daß Alhana bei ihm war, obwohl sie weit entfernt war. Dann...
»Laurana!« sagte er.
»Eine Frau?« Gunther runzelte die Stirn.
»Ja, aber die Tochter der Stimme der Sonnen,
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