Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
anderen zu finden.Außerdem hatte er versprochen, die Kugel der Drachen nach Sankrist zu bringen. Aber andererseits mußte er Raistlins hartnäckigen Wunsch bedenken, die Bibliothek von diesem Astinus aufzusuchen, um herauszufinden, wie die Kugel genutzt werden konnte.
Er war sich immer noch unschlüssig, als sie Treibgut erreichten, und entschied schließlich, erst einmal eine Schiffsfahrt in Richtung Norden zu buchen. Dann könnte man immer noch überlegen, wo man aussteigt.
Aber als sie Treibgut erreichten, waren sie bestürzt. In dieser
Stadt gab es mehr Drakonier, als sie auf der ganzen Reise von der Hafenstadt Balifor bis hierher gesehen hatten. Die Straßen wimmelten von schwerbewaffneten Spähtrupps, die insbesondere nach Fremden Ausschau hielten. Glücklicherweise hatten die Gefährten ihren Wagen vor Betreten der Stadt verkauft, so daß sie sich unter die Menge in den Straßen mischen konnten. Aber sie waren nicht einmal fünf Minuten in der Stadt, als sie einen Drakoniertrupp einen Menschen zum ›Verhör‹ holen sahen.
Dieser Vorfall beunruhigte sie, und sie quartierten sich im nächstbesten Wirtshaus ein – einer heruntergekommenen Herberge am Stadtrand.
»Wie sollen wir überhaupt zum Hafen gelangen, geschweige denn eine Überfahrt aushandeln?« fragte Caramon in ihrem schäbigen Zimmer. »Wie soll es weitergehen?«
»Der Wirt sagt, daß sich in der Stadt ein Drachenfürst aufhält. Die Drakonier suchen Kundschafter oder so etwas«, murmelte Tanis unruhig. Die Gefährten tauschten Blicke.
»Vielleicht suchen sie uns «, sagte Caramon.
»Das ist lächerlich!« antwortete Tanis schnell – zu schnell. »Wie sollte jemand wissen, daß wir hier sind? Oder wissen, was wir bei uns haben?«
»Ich frage mich...«, begann Flußwind grimmig und warf Raistlin einen düsteren Blick zu.
Der Magier erwiderte den Blick kühl, ließ sich aber nicht zu einer Antwort herab. »Heißes Wasser für meinen Tee«, befahl er Caramon.
»Mir fällt nur eine Möglichkeit ein«, sagte Tanis, nachdem Caramon seinem Bruder das Wasser gebracht hatte. »Caramon und ich werden uns heute nacht hinausschleichen und zwei Soldaten der Drachenarmee auflauern. Wir stehlen ihre Uniformen. Nicht von den Drakoniern...«, fügte er hastig hinzu, als er sah, wie sich Caramons Augenbrauen vor Abscheu zusammenzogen. »Von menschlichen Söldnern. Dann können wir uns frei in Treibgut bewegen.«
Nach langer Diskussion kamen alle überein, daß nur dieser
Plan funktionieren könnte. Die Gefährten aßen ohne viel Appetit in ihren Zimmern, es war ihnen zu riskant, sich im Gastraum zu zeigen.
»Geht es dir gut?« fragte Caramon Raistlin besorgt, als die beiden allein in ihrem Zimmer waren.
»Ich bin in der Lage, auf mich aufzupassen«, erwiderte Raistlin. Er erhob sich mit seinem Zauberbuch in der Hand, als ihn ein Hustenanfall überwältigte.
Caramon streckte seine Hand aus, aber Raistlin schreckte zurück.
»Verschwinde!« keuchte der Magier. »Laß mich allein!«
Caramon zögerte, dann seufzte er. »Sicher, Raist«, sagte er und verließ den Raum.
Raistlin stand einen Moment da und versuchte durchzuatmen. Dann ging er langsam durch das Zimmer, legte das Zauberbuch hin. Mit zitternder Hand hob er einen der vielen Beutel auf, die Caramon auf den Tisch neben seinem Bett gelegt hatte. Er öffnete ihn und holte vorsichtig die Kugel der Drachen hervor.
Tanis und Caramon liefen durch die Straßen von Treibgut und hielten nach zwei Soldaten Ausschau, deren Uniform ihnen passen könnte. Für Tanis würde es relativ leicht sein, aber einen Soldaten zu finden, der genauso groß wie Caramon war, das war schon schwieriger.
Beide wußten, sie mußten schnell etwas finden. Mehr als einmal wurden sie argwöhnisch von Drakoniern gemustert. Zwei Drakonier hielten sie sogar an und fragten äußerst unhöflich, was sie hier zu suchen hätten. Caramon erwiderte im groben Söldnerdialekt, daß sie Beschäftigung in der Armee des Drachenfürsten suchten, und die Drakonier ließen sie frei. Aber beide wußten, es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis ein Trupp sie festnehmen würde.
»Was ist hier bloß los?« murmelte Tanis besorgt.
»Vielleicht spitzt sich der Krieg für die Fürsten zu«, begann Caramon. »Schau mal,Tanis.Was da in die Bar geht...«
»Ja, der hat ungefähr deine Größe. Komm, wir verstecken uns hier in der Gasse. Wir warten, bis sie herauskommen, dann...« Der Halb-Elf machte eine würgende Bewegung. Caramon nickte.
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