Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
silbernen Helm hervor. Goldene Verzierungen glitzerten auf dem Brustpanzer, ihr weicher schwarzer Lederrock – der an einer Seite aufgeschlitzt war, damit sie bequemer gehen konnte – berührte die Spitzen ihrer Stiefel. Ihr Gesicht war blaß und grimmig, denn die Situation in Palanthas und im Turm selbst war dunkel und schien hoffnungslos.
Sie könnte nach Sankrist zurückkehren. In der Tat war sie dazu aufgefordert worden. Fürst Gunther hatte eine geheime Nachricht von Fürst Alfred erhalten, die Aufschluß über die ausweglose Situation der Ritter gab, und er hatte Laurana den Befehl übermittelt, ihren Aufenthalt zu verkürzen.
Aber sie hatte sich entschieden, zumindest eine Zeitlang zu bleiben. Die Bewohner von Palanthas hatten sie höflich empfangen – sie war immerhin von königlichem Blut, und sie waren von ihrer Schönheit verzaubert. Sie waren auch an der Drachenlanze interessiert und baten, eine in ihrem Museum ausstellen zu dürfen. Als Laurana jedoch die Drachenarmee erwähnte, hatten sie nur mit den Schultern gezuckt und gelächelt.
Dann erfuhr Laurana von einem Boten, was im Turm des Oberklerikers vor sich ging. Die Ritter wurden belagert. Eine Drachenarmee mit Tausenden von Soldaten wartete auf dem Feld. Die Ritter benötigten die Drachenlanzen, entschied Laurana, und sie war die einzige, die ihnen die Waffen bringen und den Gebrauch erklären konnte. Sie ignorierte Fürst Gunthers Befehl, nach Sankrist zurückzukehren.
Die Reise von Palanthas zum Turm war ein einziger Alptraum gewesen. Laurana hatte die Reise in Begleitung von zwei Wagen begonnen, die mit dürftigen Vorräten und den wertvollen Drachenlanzen bepackt waren. Der erste Wagen blieb nur wenige Meilen außerhalb der Stadt im Schnee stecken. Sein Inhalt wurde auf die wenigen Ritter, die mitritten, Laurana, ihre Freunde und den zweiten Wagen verteilt. Auch der zweite Wagen blieb stecken. Immer wieder mußten sie ihn im Schneetreiben freischaufeln, bis er schließlich endgültig festsaß. Nachdem sie die Vorräte und die Lanzen auf die Pferde geladen hatten, gingen die Ritter und Laurana, Flint und Tolpan den restlichen Weg zu Fuß. Sie waren die letzte Gruppe, die durchkam. Nach dem Sturm in der Nacht zuvor – das war Laurana klar, wie allen anderen im Turm – würden keine Vorräte mehr kommen. Die Straße nach Palanthas war nun unpassierbar.
Selbst bei strengster Rationierung blieben den Rittern nur noch für einige wenige Tage Lebensmittel. Die Drachenarmee dagegen schien für den Rest des Winters vorgesorgt zu haben.
Die Drachenlanzen wurden von den erschöpften Pferden abgeladen und auf Dereks Befehl im Hof gestapelt. Einige wenige Ritter musterten sie neugierig, dann ignorierten sie sie. Die Lanzen schienen unhandliche, sperrige Waffen zu sein.
Als Laurana den Rittern schüchtern anbot, sie im Gebrauch der Lanzen zu unterweisen, schnaubte Derek verächtlich. Fürst Alfred starrte aus dem Fenster auf die am Horizont brennenden Lagerfeuer. Laurana wandte sich an Sturm, um ihre Befürchtungen bestätigt zu sehen.
»Laurana«, sagte er leise und nahm ihre kalten Hände, »ich glaube nicht, daß der Fürst sich die Mühe macht, Drachen zu schicken. Wenn wir die Vorratslinien nicht wieder öffnen können, wird der Turm fallen, weil nur noch die Toten übrigbleiben, um ihn zu verteidigen.«
Also würden die Drachenlanzen im Hof ungebraucht, vergessen liegen, ihr strahlendes Silber unter dem Schnee vergraben.
Die Neugierde eines Kenders - Die Ritter reiten in die Schlacht
S turm und Flint machten einen Spaziergang auf den Zinnen, an dem Abend, als Sturm zum Ritter geschlagen wurde, und tauschten ihre Erlebnisse aus.
»Ein Brunnen aus reinem Silber – wie ein Juwel glänzend – im Herzen des Drachenberges«, erzählte Flint ehrfürchtig. »Und aus diesem Silber hat Theros die Drachenlanzen geschmiedet.«
»Von allen Dingen hätte ich am liebsten Humas Grabmal gesehen«, sagte Sturm ruhig. Er hielt an, seine Hand ruhte auf der uralten Steinmauer. Fackellicht schien von einem Fenster aus auf sein schmales Gesicht.
»Das wirst du«, sagte der Zwerg. »Wenn die Sache hier erledigt ist, gehen wir zurück. Tolpan hat eine Karte gezeichnet – natürlich ist es keine gute Karte...«
Während er weiter über Tolpan murrte, musterte Flint seinen anderen alten Freund mit Sorge. Das Gesicht des Ritters war ernst und melancholisch – für Sturm nicht ungewöhnlich. Aber es lag etwas Neues darin, eine Ruhe, die nicht
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