Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
Zähne. »Bitte, Sturm!« drängte sie. »Es ist unsere einzige Hoffnung. Wir haben die Drachenlanzen – und die Kugel der Drachen!«
Der Ritter sah sie an, dann sah er zu den Drachen, die aus dem immer heller werdenden Osten herbeieilten.
»Nun gut«, sagte er schließlich. »Flint und Tolpan, ihr geht nach unten und versammelt die Männer im Hof. Beeilt euch!«
Tolpan warf Laurana einen letzten besorgten Blick zu, dann sprang er von dem Mauerstück, auf dem er und der Zwerg gestanden hatten. Flint folgte ihm langsam. Sein Gesicht war düster und nachdenklich, als er zu Sturm trat.
Mußt du das tun?, fragte Flint Sturm stumm, als sich ihre Blicke trafen.
Sturm nickte einmal. Er blickte zu Laurana und lächelte traurig. »Ich werde es ihr sagen«, sagte er leise. »Paß auf den Kender auf. Leb wohl, mein Freund.«
Flint schluckte und schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war eine Maske der Trauer, als er mit einer knorrigen Hand über seine Augen fuhr, dann gab er Tolpan einen Stoß in den Rükken.
»Beweg dich!« schnappte der Zwerg.
Tolpan sah ihn erstaunt an, dann zuckte er die Achseln und hüpfte über die Zinnen und schrie mit seiner schrillen Stimme nach den überraschten Rittern.
Lauranas Gesicht glühte. »Komm auch, Sturm!« sagte sie und zog an ihm wie ein Kind, das seinen Eltern ein neues Spielzeug zeigen will. »Ich erkläre es den Männern, wenn du möchtest.
Dann kannst du die Befehle geben und die Schlachtanordnung festlegen...«
»Du führst das Kommando, Laurana«, sagte Sturm.
»Was?« Laurana hielt inne, Furcht fuhr so plötzlich in ihr Herz, daß der Schmerz sie aufkeuchen ließ.
»Du hast gesagt, du bräuchtest Zeit«, sagte Sturm und richtete seinen Schwertgürtel, um ihrem Blick auszuweichen. »Du hast recht. Du mußt die Männer in Position bringen. Du brauchst Zeit für die Kugel. Ich werde dir diese Zeit geben.« Er hob einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen auf.
»Nein! Sturm!« Laurana zitterte vor Entsetzen. »Das kann nicht dein Ernst sein! Ich kann nicht befehlen! Ich brauche dich! Sturm, tu mir das nicht an!« Ihre Stimme erstarb zu einem Wispern. »Tu mir das nicht an.«
»Du kannst befehlen, Laurana«, sagte Sturm und nahm ihren Kopf in seine Hände. Er beugte sich vor und küßte sie sanft. »Leb wohl, Elfenmädchen«, sagte er leise. »Dein Licht wird in dieser Welt scheinen. Meine Zeit ist gekommen. Sei nicht traurig, meine Liebe.Weine nicht.« Er hielt sie fest. »Der Herr der Wälder sagte uns im Düsterwald, daß wir nicht um jene trauern sollen, die ihr Schicksal erfüllt haben. Mein Schicksal ist erfüllt. Jetzt beeil dich, Laurana. Du brauchst jede Sekunde.«
»Nimm wenigstens die Drachenlanze«, bettelte sie.
Sturm schüttelte den Kopf, seine Hand ruhte auf dem alten Schwert seines Vaters. »Ich weiß nicht,wie man sie benutzt. Leb wohl, Laurana. Sag Tanis...« Er hielt inne, dann seufzte er. »Nein«, sagte er mit einem schwachen Lächeln. »Er wird wissen, was in meinem Herzen war.«
»Sturm...« Lauranas Tränen ließen sie nicht sprechen. Sie konnte ihn nur stumm anstarren.
»Geh«, sagte er.
Laurana, blind vor Tränen, schaffte es irgendwie, die Treppen hinunter zum Hof zu gehen. Eine starke Hand ergriff sie hier.
»Flint«, begann sie schluchzend. »Er, Sturm...«
»Ich weiß, Laurana«, erwiderte der Zwerg. »Ich habe es in
seinem Gesicht gesehen. Ich glaube, ich habe es schon gesehen, seitdem ich mich erinnern kann. Alles liegt nun bei dir. Du darfst ihn nicht enttäuschen.«
Laurana holte tief Luft, dann wischte sie ihre Tränen weg und trocknete ihr Gesicht, so gut es ging. Sie holte noch einmal tief Luft und hob ihren Kopf.
»Nun«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin bereit.Wo ist Tolpan?«
»Hier«, antwortete eine dünne Stimme.
»Geh nach unten. Du hast die Worte in der Kugel schon einmal gelesen. Lies sie noch einmal. Vergewissere dich, daß du alles richtig verstehst.«
»Ja, Laurana.«Tolpan schluckte und rannte weg.
»Die Ritter sind versammelt«, sagte Flint. »Sie warten auf dein Kommando.«
»Sie warten auf mein Kommando«, wiederholte Laurana geistesabwesend.
Zögernd sah sie hoch. Die roten Strahlen der Sonne blitzten auf Sturms heller Rüstung, als der Ritter die schmalen Stufen hochstieg, die zu einer Mauer weiter oben nahe dem mittleren Turm führten. Seufzend senkte sie ihren Blick auf den Hof, wo die Ritter warteten.
Laurana holte noch einmal tief Luft, dann schritt sie auf sie zu, der rote Busch flatterte an
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