Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
seiner Gefährten ignorierend, ging Raistlin zu seinem Bruder, der dastand und seinen blutenden Arm festhielt.
»Ich werde mich um ihn kümmern«, sagte Raistlin zu Goldmond und legte seinen schwarzgekleideten Arm um seinen Zwillingsbruder.
»Nein«, keuchte Caramon, »du bist nicht stark ge...« Seine Stimme erstarb, als er den Arm seines Bruders spürte, der ihn stützte.
»Jetzt bin ich stark genug, Caramon«, sagte Raistlin sanft,
seine Sanftheit ließ den Krieger erschauern. »Lehne dich an mich, mein Bruder.«
Von Schmerz und Angst geschwächt, lehnte sich Caramon zum ersten Mal in seinem Leben an Raistlin. Der Magier stützte ihn, als sie gemeinsam in den Grauenwald traten.
»Was ist passiert, Raist?« fragte Caramon würgend. »Warum trägst du die Schwarze Robe? Und deine Stimme...«
»Spare deinen Atem, mein Bruder«, empfahl Raistlin sanft.
Die beiden gerieten immer tiefer in den Wald, von den untoten Elfenkriegern drohend beobachtet. Sie konnten den Haß der Toten in den leeren Augenhöhlen aufflackern sehen. Aber keiner wagte, den Schwarzen Magier anzugreifen. Caramon fühlte sein Blut dick und warm zwischen seinen Fingern fließen. Als er beobachtete, wie es auf die toten, mit Schleim bedeckten Blätter neben seinen Füßen tröpfelte, wurde er schwächer und schwächer. Es schien ihm wie ein Fieberwahn, daß sein eigener schwarzer Schatten an Stärke gewann, während er immer schwächer wurde.
Tanis eilte durch den Wald auf der Suche nach Sturm. Schließlich fand er ihn, gegen eine Gruppe von Elfenkriegern kämpfend.
»Es ist ein Traum«, rief Tanis Sturm zu, der auf die untoten Kreaturen einschlug. Jedesmal, wenn er einen traf, verschwand der Elf, um dann wieder zu erscheinen. Der Halb-Elf zog sein Schwert, um Sturm zu unterstützen.
»Pah!« brummte der Ritter, keuchte dann schmerzerfüllt auf, als ein Pfeil in seinen Arm drang. Die Wunde war nicht tief, da sein Kettenhemd den Aufprall abgemildert hatte, aber er blutete. »Das ist ein Traum?« fragte Sturm und zog den blutbefleckten Schaft heraus.
Tanis sprang vor den Ritter und wehrte die Feinde ab, während Sturm die Blutung stillte.
»Raistlin hat gesagt...« , begann Tanis.
»Raistlin! Hah! Sieh dir doch nur seine Robe an,Tanis!«
»Aber du bist hier! In Silvanesti!« protestierte Tanis plötzlich
verwirrt. Er hatte das merkwürdige Gefühl, daß er mit sich selbst stritt. »Alhana sagte, du wärst auf dem Weg zur Eismauer!«
Der Ritter zuckte die Schultern. »Vielleicht wurde ich geschickt, um dir zu helfen.«
In Ordnung. Es ist ein Traum, redete sich Tanis ein. Ich werde aufwachen.
Aber es gab keine Veränderung. Die Elfen waren immer noch da und kämpften weiter. Sturm mußte recht haben. Raistlin hatte gelogen.Aber warum? Zu welchem Zweck?
Dann wußte es Tanis. Die Kugel der Drachen!
»Wir müssen den Turm vor Raistlin erreichen!« schrie Tanis Sturm zu. »Ich weiß jetzt, worauf der Magier aus ist!«
Der Ritter konnte nur noch nicken. Es schien Tanis, daß sie von dem Moment an nichts anderes taten, als um jeden Zentimeter Boden zu kämpfen. Immer wieder schlugen die beiden Krieger die untoten Elfen zurück, nur um von einer immer größer werdenden Anzahl angegriffen zu werden. Sie wußten zwar, daß die Zeit verstrich, aber sie hatten kein genaues Zeitgefühl. Einen Moment lang schien die Sonne durch den stickigen grünen Nebel. Dann schoben sich die nächtlichen Schatten über das Land wie die Flügel von Drachen.
Doch dann, als sich die Dunkelheit vertiefte, erblickten Sturm und Tanis den Turm. Aus Marmor gebaut, glitzerte der hohe Turm weiß. Er stand allein in einer Lichtung und reichte bis zum Himmel wie ein Knochenfinger, der aus einem Grab hervorkrallt.
Beim Anblick des Turms begannen beide Männer zu laufen. Obgleich schwach und erschöpft, wollten sie doch beide nicht länger nach Anbruch der Nacht in diesem tödlichen Wald bleiben. Die Elfenkrieger, die ihre Beute entkommen sahen, stürzten wutkreischend hinter ihnen her.
Tanis lief, bis er glaubte, seine Lungen würden vor Schmerzen platzen. Sturm rannte vor ihm und schlug auf die Untoten ein, die vor ihm erschienen und versuchten, den Weg zu verstellen. Gerade als sich Tanis dem Turm näherte, wickelte sich
eine Baumwurzel um seine Stiefel. Er stürzte sich überschlagend auf den Boden.
Panisch versuchte Tanis, sich zu befreien, aber die Wurzel hielt ihn fest.Tanis schlug hilflos um sich, als ein untoter Elf mit grotesk verzerrter Fratze den Speer
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