Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
kaum Kraft hatte, sich weiterzubewegen. Kits Gesicht war schweißnaß, ihr dunkles Haar kräuselte sich um ihre feuchte Stirn. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen – das erste Mal, daß Tanis sie ängstlich sah. Sturms Atem kam keuchend, als der Ritter sich vorwärtskämpfte, seine Rüstung drückte ihn nieder.
Zunächst schienen sie überhaupt nicht voranzukommen. Dann bemerkten sie, daß sie sich langsam, langsam fortbewegten, dem grünbeleuchteten Zimmer immer näher kamen. Das helle Licht schmerzte in den Augen, und jede Bewegung erforderte eine entsetzliche Anstrengung. Erschöpfung setzte ein, die Muskeln schmerzten, die Lungen brannten.
Gerade als Tanis meinte, keinen weiteren Schritt mehr tun zu können, hörte er eine Stimme seinen Namen rufen. Er hob seinen schmerzenden Kopf und sah Laurana, ihr Elfenschwert in der Hand. Die Schwere schien auf sie keine Wirkung zu haben, denn sie rannte mit einem erfreuten Aufschrei auf ihn zu.
»Tanthalas! Bist du in Ordnung? Ich habe gewartet...«
Sie brach ab, ihre Augen gingen zu der Frau, die sich an Tanis’ Arm klammerte.
»Wer...«, wollte Laurana fragen, aber dann wußte sie plötzlich Bescheid. Das war die Menschen-Frau, das war Kitiara. Die Frau, die Tanis liebte. Lauranas Gesicht erblaßte, dann rötete es sich.
»Laurana...«, begann Tanis, der völlig verwirrt war. Schuldgefühle überfielen ihn, er haßte sich dafür, ihr Schmerzen zu bereiten.
»Tanis! Sturm!« schrie Kitiara.
Erschreckt durch die Angst in ihrer Stimme, wirbelten alle herum und starrten in den grünerleuchteten Marmorkorridor.
»Drakus Tsaro, deghnyah!« sagte Sturm auf solamnisch.
Am Ende des Korridors lauerte ein gigantischer grüner Drache. Er wurde Cyan Blutgeißel genannt, und er war einer der größten Drachen auf Krynn. Nur der große Rote war noch größer als er. Cyan schlängelte seinen Kopf durch einen Türeingang und löschte dabei das blendendgrüne Licht mit seinem riesigen Körper aus. Der Drache roch Eisen und Menschenfleisch und Elfenblut. Er starrte mit seinen feurigen Augen auf die Gruppe.
Sie konnten sich nicht bewegen. Überwältigt von Drachenangst, konnten sie nur dastehen und starren, während der Drache die Marmorwand um die Tür mit einer Leichtigkeit niederriß, als wäre sie aus getrocknetem Schlamm. Mit weit geöffnetem Rachen bewegte sich Cyan durch den Korridor.
Sie konnten nichts unternehmen. Ihre Waffen baumelten an ihren Händen. Ihre Gedanken weilten beim Tod. Aber noch während sich der Drache näherte, schob sich eine dunkle Gestalt aus den tieferen Schatten einer anderen Tür und blieb vor ihnen stehen.
»Raistlin!« sagte Sturm ruhig. »Bei allen Göttern, du wirst für den Tod deines Bruders bezahlen!«
Den Drachen vergessend, sich nur noch an Caramons leblosen Körper erinnernd, sprang der Ritter mit gezogenem Schwert auf den Magier zu. Raistlin starrte ihm nur kühl entgegen.
»Töte mich, Ritter, und du verurteilst dich und die anderen zum Tod, denn durch meine Magie – und nur durch meine Magie – wirst du in der Lage sein, Cyan Blutgeißel zu besiegen!«
»Halte ein, Sturm!« Obwohl seine Seele mit Widerwillen erfüllt war, wußte Tanis, daß der Magier recht hatte. Er konnte Raistlins Macht durch die schwarze Robe ausstrahlen spüren. »Wir brauchen seine Hilfe.«
»Nein«, sagte Sturm, schüttelte den Kopf und wich zurück, als sich Raistlin der Gruppe näherte. »Ich sagte es schon – ich verlasse mich nicht auf seinen Schutz. Nicht jetzt. Leb wohl,Tanis.«
Bevor jemand den Ritter aufhalten konnte, ging Sturm an
Raistlin vorbei und auf Cyan Blutgeißel zu. Der Drache warf seinen Kopf vor und zurück, in eifriger Vorfreude auf die erste Herausforderung seiner Macht, seitdem er Silvanesti erobert hatte.
Tanis umklammerte Raistlin. »Tu etwas!«
»Der Ritter steht im Weg. Welchen Zauber ich auch immer werfen werde, so wird auch er vernichtet werden«, antwortete Raistlin.
»Sturm!« rief Tanis, seine Stimme hallte voller Trauer wider. Der Ritter zögerte. Er lauschte, aber icht auf Tanis’ Stimme. Was er hörte, war der klare Trompetenruf, seine Melodie war so kalt wie die Luft in den schneebedeckten Bergen seiner Heimat. Rein und klar erhob sich der Trompetenruf mutig über die Dunkelheit und den Tod und die Verzweiflung, die sein Herz zerrissen.
Sturm beantwortete den Ruf mit einem freudigen Schlachtruf. Er hob sein Schwert, das Schwert seines Vaters. Silbriges Mondlicht strömte durch ein zerbrochenes
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