Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
verängstigtes Wimmern waren. Dann, als ob er sich davor fürchten würde, was er sehen könnte, öffnete er seine Augen.
»Alhana, mein Kind. Du lebst!« Er hob seine zitternde Hand, um ihre Wange zu berühren. »Das kann nicht sein! Ich sah dich sterben, Alhana. Ich habe dich hundertmal sterben gesehen, jedes Mal auf entsetzlichere Weise als zuvor. Er hat dich getötet, Alhana. Er wollte, daß ich dich töte.Aber ich konnte nicht. Obwohl ich den Grund nicht kenne, denn ich habe so viele getötet.« Dann erblickte er Tanis. Er riß seine Augen auf, die vor Haß funkelten.
»Du!« knurrte Lorac, erhob sich aus seinem Thron, seine knorrigen Hände umklammerten beide Seiten des Stuhls. »Du, Halb-Elf! Ich habe dich getötet – oder es versucht. Ich mußte Silvanesti beschützen! Ich habe dich getötet! Ich habe alle getötet, die mit dir waren.« Dann fuhren seine Augen zu Raistlin. Der Haß in seinem Blick wurde durch Furcht ersetzt. Zitternd wich er vor dem Magier zurück. »Aber dich, dich konnte ich nicht töten!«
Loracs entsetzter Blick verwirrte sich. »Nein«, schrie er. »Du bist es nicht! Deine Robe ist nicht schwarz! Wer bist du?« Seine Augen gingen zu Tanis zurück. »Und du? Bist du keine Bedrohung? Was habe ich getan?« Er stöhnte auf.
»Vater, bitte«, bat Alhana, beruhigte ihn, streichelte über sein fiebriges Gesicht. »Du mußt dich jetzt ausruhen. Der Alptraum ist zu Ende. Silvanesti ist gerettet.«
Caramon hob Lorac mit seinen starken Armen hoch und trug ihn in sein Zimmer. Alhana ging neben ihm, sie hielt fest die Hand ihres Vaters.
Gerettet, dachte Tanis und blickte aus dem Fenster auf die entstellten Bäume. Obwohl die untoten Elfenkrieger nicht länger durch den Wald stolzierten, lebten die gequälten Formen, die Lorac in seinem Alptraum geschaffen hatte, immer noch. Die im Todeskampf verrenkten Bäume weinten immer noch Blut.Wer wird nun hier leben?, fragte Tanis sich traurig. Die Elfen werden nicht zurückkehren. Böse Dinge werden in diesem dunklen Wald einkehren, und Loracs Alptraum wird Wirklichkeit werden.
An den alptraumartigen Wald denkend, fragte sich Tanis plötzlich, wo seine anderen Freunde waren. Waren sie unversehrt? Was war, wenn sie an den Alptraum geglaubt hatten – wie Raistlin sagte? Hatten sie dann wirklich sterben müssen? Ihn verließ der Mut, als ihm klarwurde, daß er jetzt in diesen wahnsinnigen Wald zurückkehren mußte, um sie zu suchen.
Gerade als der Halb-Elf seinen müden Körper zwingen wollte, sich auf den Weg zu machen, betraten seine Freunde das Audienzzimmer.
»Ich habe ihn getötet!« weinte Tika, als sie Tanis erblickte. Ihre Augen waren vor Trauer und Entsetzen weit geöffnet. »Nein! Berühr mich nicht, Tanis. Du weißt nicht, was ich getan habe. Ich habe Flint getötet! Ich wollte es nicht, Tanis, das schwöre ich!«
Als Caramon eintrat, wandte sich Tika schluchzend an ihn. »Ich habe Flint getötet, Caramon. Komm nicht näher!«
»Pssst«, sagte Caramon und umarmte sie. »Es war ein Traum, Tika. So wie Raist gesagt hat. Der Zwerg war niemals hier.« Er streichelte Tikas rote Locken und küßte sie.Tika umklammerte ihn, Caramon umklammerte sie, beide fanden Trost beim anderen. Allmählich hörte Tika auf zu schluchzen.
»Mein Freund«, sagte Goldmond und öffnete ihre Arme, um Tanis zu umarmen.
Er sah ihren ernsten, niedergeschlagenen Gesichtsausdruck und hielt sie eng an sich gedrückt, während er fragend zu Flußwind blickte. Was hatten sie wohl geträumt? Aber der Barbar schüttelte nur den Kopf, sein Gesicht war blaß und betrübt.
Dann kam ihm in den Sinn, daß jeder seinen eigenen Traum durchlebt hatte, und er erinnerte sich plötzlich an Kitiara! Wie real sie gewesen war! Und Laurana, sterbend. Er schloß seine Augen und legte seinen Kopf an Goldmonds. Er fühlte Flußwinds starke Arme sie beide umfassen. Ihre Liebe machte ihn glücklich. Das Entsetzen des Traums begann zu weichen.
Und dann hatte Tanis einen beängstigenden Gedanken. Loracs Traum war Wirklichkeit geworden! Würden auch ihre Träume Wirklichkeit werden?
Hinter sich hörte Tanis Raistlin husten. Der Magier faßte sich an die Brust und sank auf die Stufen zu Loracs Thron. Tanis sah Caramon, der immer noch Tika an sich gedrückt hielt, seinen Bruder besorgt musternd. Aber Raistlin ignorierte seinen Bruder. Er legte sich auf den kalten Boden und schloß erschöpft die Augen.
Seufzend zog Caramon Tika enger an sich.Tanis beobachtete, wie ihr kleiner Schatten Teil
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