Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
Hals zuckte.
Tolpan seufzte. Er vergaß, wo er war, und hob seine Stimme. »Du vertraust ihm doch, oder nicht, Caramon? Weil . . .«
Ohne Warnung drehte sich Tolpans drakonische Wache um und schlug dem Kender über den Mund, daß er gegen die Mauer geschleudert wurde. Benommen vor Schmerz sank Tolpan zu Boden. Ein dunkler Schatten beugte sich über ihn. Er konnte nicht erkennen, wer es war, und machte sich auf einen weiteren Schlag gefaßt. Dann spürte er starke, sanfte Arme, die ihn an seiner Wollweste hochhoben.
»Ich habe euch gesagt, sie nicht zu verunstalten«, knurrte Caramon.
»Pah! Ein Kender!« Der Drakonier spuckte.
Die Soldaten waren fast alle vorbeimarschiert. Caramon setzte Tolpan ab. Der Kender versuchte zu stehen, aber aus unerfindlichen Gründen glitt der Boden unter seinen Füßen weg.
»Es . . . tut mir leid«, hörte er sich murmeln. »Beine sind manchmal lustig ...« Schließlich fühlte er sich in die Luft gehoben, und unter Protestgeschrei flog er wie ein Mehlsack über Caramons breite Schulter.
»Er hat einige Informationen«, sagte Caramon mit seiner tiefen Stimme. »Ich hoffe, ihr habt sein Gehirn nicht durcheinandergebracht, daß er sie verloren hat. Die Finstere Herrin wird darüber nicht erfreut sein.«
»Was für ein Gehirn?« gab der Drakonier verächtlich zurück, aber Tolpan konnte von seiner Position auf Caramons Rücken sehen, daß die Kreatur ein wenig erschüttert wirkte.
Sie setzten ihren Weg fort. Tolpans Kopf schmerzte entsetzlich, seine Wange brannte. Er fühlte mit seiner Hand. Blut klebte dort, wo die Klaue des Drakoniers sich in seine Haut gegraben hatte. Hunderte von Bienen schienen in seinem Gehirn zu summen. Die Welt schien langsam um ihn zu kreisen, ihm wurde übel, und auf Caramons gepanzertem Rücken durchgerüttelt zu werden, machte die Sache nicht besser.
»Wie weit ist es noch?« Er konnte Caramons Stimme in seiner Brust vibrieren hören. »Dieser kleine Bastard ist schwer.«
Als Antwort streckte der Drakonier seine lange, knochige Klaue aus.
Mit großer Mühe gelang es Tolpan trotz Schmerz und Schwindel, den Kopf zu drehen. Er schaffte nur einen kurzen Blick, aber der reichte aus. Je näher sie dem Gebäude kamen, um so größer wurde es, bis es nicht nur die Augen, sondern auch die Gedanken ausfüllte.
Tolpan sank zurück. Er sah nur noch verschwommen und fragte sich benommen, warum es auf einmal so neblig wurde. Das letzte, woran er sich erinnerte, waren die Worte: »Zu den Verliesen ... unter dem Tempel Ihrer Majestät, Takisis, Königin der Finsternis.«
W ein?«
»Nein.«
Kitiara zuckte mit den Schultern. Sie nahm den Krug aus der Eisschale und goß sich ein Glas ein. Dabei beobachtete sie müßig, wie die blutrote Flüssigkeit aus der Kristallkaraffe in das Glas lief. Dann stellte sie die Karaffe sorgfältig in das Eis zurück, setzte sich Tanis gegenüber und musterte ihn kühl.
Sie hatte nur den Drachenhelm abgenommen, die Rüstung trug sie noch – die nachtblaue Rüstung mit Goldverzierungen, die an ihrem geschmeidigen Körper wie eine Schuppenhaut
saß. Das Licht der vielen Kerzen im Zimmer glänzte auf der polierten Oberfläche. Ihr dunkles, schweißnasses Haar lockte sich um ihr Gesicht. Ihre braunen Augen, von langen, dunklen Wimpern beschattet, funkelten hell wie Feuer.
»Warum bist du hier,Tanis?« fragte sie leise, während sie mit ihrem Finger über den Rand des Glases fuhr und ihn gleichzeitig musterte.
»Du weißt den Grund«, antwortete er kurzangebunden. »Natürlich Laurana«, sagte Kitiara.
Tanis zuckte die Achseln. Er behielt sorgsam einen maskenhaften Gesichtsausdruck bei, fürchtete dennoch, daß diese Frau, die ihn manchmal besser kannte als er sich, jeden Gedanken lesen konnte.
»Bist du allein gekommen?« fragte Kitiara und nippte an ihrem Glas.
»Ja«, antwortete Tanis und erwiderte ohne zu zögern ihren Blick.
Kitiara hob im offensichtlichen Zweifel eine Augenbraue.
»Flint ist tot«, fügte er mit gebrochener Stimme hinzu. Selbst in seiner Angst konnte er nicht ohne Schmerz an seinen Freund denken. »Und Tolpan wandert irgendwo herum. Ich konnte ihn nicht finden. Ich ...ich wollte ihn sowieso nicht mitbringen.«
»Das verstehe ich«, sagte Kit sarkastisch. »Flint ist also tot.«
»Wie Sturm«, fügte Tanis mit zusammengebissenen Zähnen hinzu.
Kit sah ihn scharf an. »So ist eben der Krieg, mein Lieber«, sagte sie. »Wir waren beide Soldaten. Er versteht es. Sein Geist hegt nichts Böses gegen
Weitere Kostenlose Bücher