Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
kannst ...« Die Stimme der dunklen Gestalt klang unangenehm bei diesen Worten.
Kitiara warf dem bleichen Gesicht einen verächtlichen Blick zu; seine flackernden Augen schwebten körperlos über der schwarzen Rüstung des Ritters.
»Sei kein Narr, Soth«, sagte sie, während sie hastig am Glockenseil zog. Sie empfand ein Bedürfnis nach Licht. »Ich bin in der Lage, die Vergnügungen des Fleisches von den Vergnügungen des Geschäfts zu trennen – etwas, wozu du nicht in der Lage warst, nach allem, was ich hier über dein Leben weiß.«
»Was für Pläne hast du denn mit dem Halb-Elfen?« fragte Fürst Soth, seine Stimme schien wie gewöhnlich von tief unten zu kommen.
»Er wird mir gehören, ganz und gar«, sagte Kitiara, während sie vorsichtig ihr schmerzendes Handgelenk rieb.
Diener eilten mit zögernden Seitenblicken auf die Finstere Herrin herbei, ihre berüchtigten Zornesausbrüche fürchtend. Aber Kitiara, die mit ihren Gedanken beschäftigt war, ignorierte sie. Fürst Soth verschmolz mit den Schatten, wie immer, wenn die Kerzen angezündet waren.
»Der einzige Weg, den Halb-Elfen zu besitzen, ist, ihn zusehen zu lassen, wie ich Laurana zerstöre«, fuhr Kitiara fort.
»Das ist kaum der Weg, um seine Liebe zu gewinnen«, gab Fürst Soth verächtlich zurück.
»Seine Liebe will ich nicht.« Kitiara, die ihre Handschuhe auszog und ihre Rüstung aufschnallte, lachte kurz auf. »Ich will
ihn! Solange sie lebt, werden seine Gedanken bei ihr und bei seiner noblen Opferbereitschaft sein. Nein, der einzige Weg, daß er völlig mir gehört, ist der, ihn unter den Absätzen meiner Stiefel zu zermalmen, bis er nichts weiter als eine formlose Masse ist. Dann wird er mir von Nutzen sein.«
»Nicht lange«, bemerkte Fürst Soth sarkastisch. »Der Tod wird ihn befreien.«
Kitiara zuckte die Achseln. Die Diener hatten ihre Aufgaben ausgeführt und verschwanden schnell. Die Finstere Herrin stand schweigend und nachdenklich im Licht, noch halb in ihrer Rüstung, den Drachenhelm in der Hand.
»Er hat mich angelogen«, sagte sie nach einem Moment. Dann schleuderte sie den Helm auf den Tisch, wo er eine Porzellanvase zerschlug, und begann auf und ab zu laufen. »Er hat mich angelogen. Meine Brüder sind nicht im Blutmeer gestorben – zumindest einer von ihnen lebt, das weiß ich. Und auch er – Berem!« Gebieterisch riß Kitiara die Tür auf. »Gakhan!« schrie sie.
Ein Drakonier eilte in das Zimmer.
»Neuigkeiten? Habt ihr den Hauptmann schon gefunden?«
»Nein, Fürstin«, erwiderte der Drakonier. Es war der gleiche, der damals Tanis von dem Wirtshaus in Treibgut gefolgt war, der gleiche, der geholfen hatte, Laurana eine Falle zu stellen. »Er hat dienstfrei, Fürstin«, fügte die Kreatur hinzu, als ob dies alles erklären würde.
Kitiara verstand. »Durchsuch jedes Bierzelt und jedes Bordell, bis du ihn gefunden hast. Dann bringst du ihn hierher. Wenn es sein muß, auch in Ketten. Ich werde ihn verhören, wenn ich von der Versammlung der Fürsten zurück bin. Nein, warte...« Kitiara hielt inne, dann fügte sie hinzu. »Du wirst ihn verhören. Finde heraus, ob der Halb-Elf wirklich allein war, wie er sagt, oder ob andere bei ihm waren.Wenn das so ist...«
Der Drakonier verneigte sich. »Ihr werdet unverzüglich informiert werden, Fürstin.«
Kitiara entließ ihn mit einer Handbewegung. Der Drakonier verbeugte sich wieder, verließ das Zimmer und schloß die Tür
hinter sich. Einen Moment lang stand sie nachdenklich da, dann fuhr sie sich wütend mit einer Hand durch ihr lockiges Haar und riß die Gurte ihrer Rüstung auf.
»Du wirst mich heute abend begleiten«, sagte sie zu Fürst Soth, ohne auf die Erscheinung des toten Ritters zu sehen, der, wie sie annahm, immer noch hinter ihr stand. »Sei aufmerksam. Lord Ariakus wird über meine Absichten nicht erfreut sein.«
Sie warf den letzten Teil der Rüstung auf den Boden und zog ihre Ledertunika und die blaue Seidenhose aus. Sich in ihrer Nacktheit streckend und reckend, blickte sie über ihre Schulter, um Fürst Soths Reaktion auf ihre Worte zu sehen. Er war nicht da. Erstaunt blickte sie sich schnell im Zimmer um.
Der geisterhafte Ritter stand vor dem Drachenhelm, der auf dem Tisch neben der zerbrochenen Vase lag. Mit einer Bewegung seiner fleischlosen Hand ließ er die Scherben in der Luft vor sich schweben. Dort hielt er sie mit seiner Magie und wandte sich wieder Kitiara zu und musterte sie mit seinen flammenden orangenen Augen, als sie nackt
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