Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
auf der Mutter herumgeklettert, hatten ihr zum Spaß in den Schwanz gebissen, während sie zärtlich die Nase gegen ihre kleinen Bäuche stieß.
    In diesem Jetzt war er allein.
    Er winselte. Es tönte so laut, dass er vor Schreck verstummte und noch ein wenig von dem Vielfraß knabberte. Anschließend trottete er zum Eingang der Höhle.
    Das weiße Licht tat ihm in den Augen weh. Keine Gerüche. Nur ein merkwürdiges Knistern und das leise Fauchen des Windes waren zu hören.
    Blinzelnd stellte er fest, dass die Weiden zerbrochen unter dem Harten Weißen Kalt lagen. Alles lag unter dem Harten Weißen Kalt.
    Vorsichtig ging er vor die Höhle, aber draußen rutschten ihm sofort die Pfoten weg; er musste die Krallen fest in das Harte Weiß bohren, um sich wieder aufzurichten.
    Über ihm ragte der weiße Hügel auf. Unter ihm führte die Böschung in steilem Schwung erst talabwärts, dann stieg sie wieder an. Der Welpe traute sich keinen Schritt weiter. Wohin hätte er in diesem endlosen Weiß auch gehen sollen. Er hob die Schnauze und heulte.
    Noch nie zuvor hatte er so laut und kräftig geheult, seine Stimme zitterte nur ein kleines bisschen. Trotzdem antwortete kein Wolf.
    Nur ein Rabe kam nach einer Weile zu ihm heruntergeflogen und ließ sich ein paar Sprünge entfernt nieder. Kurz darauf gesellte sich ein zweiter Rabe dazu.
    Der Welpe wedelte mit dem Schwanz und stieß ein freudiges Jaulen aus. Das waren seine Raben, sie gehörten zum Rudel! Mit angelegten Ohren sprang er auf die beiden zu, schlitterte über das Harte Weiße Kalt.
    Die Raben flogen unter krächzendem Lachen davon, aber das war dem Welpen egal, denn er kannte ihre Späße: Sie pickten ihn gern in den Schwanz und stibitzten ihm das Essen vor der Nase weg. So schnell er konnte, rannte er hinter ihnen her, vergaß, die Krallen in das Harte Weiße Kalt zu bohren – und rutschte den Hügel hinab.
    Immer noch lachend folgten ihm die Raben.
    Der Welpe stand ärgerlich auf und schüttelte sich.
    Dann erhoben sich die Raben hoch ins Oben und flogen davon.
    Kommt zurück! bellte er ihnen nach.
    Die Raben kreisten über ihm, flogen erneut davon und verschwanden mit wackelnden Schwanzfedern hinter der Hügelkuppe. Krak! Komm mit!
    Der Welpe stapfte mühsam hinter ihnen her. Als er die Kuppe erreicht hatte, winselte er entsetzt auf.
    Über ihm ragten die steilsten Felsen auf, die er je gesehen hatte, viel, viel höher als der Findling an seinem Lagerplatz.
    Krak! , krächzten die Raben.
    Der kleine Welpe hatte schreckliche Angst, aber allein zurückbleiben wollte er auch nicht.
    Er kniff die Augen im brennenden Wind zusammen und lief hinter den Raben drein, auf die Berge zu.

Kapitel 14

    »Wie viele Tagesmärsche sind es noch bis zu den Bergen?«, fragte Torak.
    Renn schüttelte den Kopf.
    Mit dem Rücken zum Wald blickten sie auf die schneebedeckten, kahlen Berge, die wie Wellen auf sie zurollten. Dahinter, in weiter Ferne – und zugleich bedrohlich nah – ragten die schimmernden Gipfel der Hohen Berge auf.
    Toraks Mut sank. Von dort, wo er stand, konnte er Abertausende winzige Spitzen ausmachen. Jede davon hätte der Berg der Geister sein können. Ohne die Bergclans würde er nie und nimmer ans Ziel gelangen.
    Renn musste seine Gedanken förmlich gehört haben. »Bei dieser Kälte ziehen sich die Rentiere in den Schutz des Waldes zurück. Fin-Kedinn sagt, dass die Bergclans den Herden folgen. Mit ein bisschen Glück kreuzen sich unsere Wege.«
    Torak schwieg. Am liebsten hätte er sich im Wald verkrochen. Sich versteckt.
    Wolf kam und schmiegte sich an ihn. Torak zog die Fäustlinge aus und grub die Finger tief in sein dichtes Fell. Wolf leckte ihm das Handgelenk: ein kurzer Wärmehauch, den der Wind sogleich mit sich riss.
    »Außerdem darfst du eines nicht vergessen«, sagte Renn. »Sie will , dass du sie findest.«
    »Mich, aber nicht dich«, erwiderte Torak. »Und auch nicht Wolf, Rip oder Rek.«
    »Sie hat bereits vergeblich versucht, uns zu trennen.«
    »Sie wird es von Neuem versuchen.«
    Schweigend blickten sie auf die Kahlen Berge. Der strenge Wind blies ihnen die dichten Schneeflocken wie Speere ins Gesicht. Kehrt um! Kehrt um!
    Die Raben freilich waren in ihrem Element und schwirrten munter durch den bösen, kalten, leeren Himmel. Rek schlug ausgelassene Purzelbäume, während Rip die Flügel faltete und sich wie ein Senkblei auf eine kleine Anhöhe fallen ließ. Als er landete, stieg eine glitzernde Kaskade von Schneeflocken auf. Dann warf er

Weitere Kostenlose Bücher