Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)
kommen. »Ich will euch nichts tun«, erklärte er den Steinbewohnern. »Ich suche die Seelenesserin. Mit euch habe ich nichts zu schaffen.«
Ein zischendes Sausen ertönte über ihm. Er warf sich zur Seite. Der Steinbrocken zerschellte beim Aufschlag und unzählige Splitter prasselten auf ihn nieder.
Später hörte er Wasser gurgeln und stieß in einer Felsspalte auf eine Quelle. Er fand ganze Büschel von dem Heidekraut, das Juksakai zum Feuermachen benutzt hatte, und einen Felsüberhang, den er mit Steinen zu einem kleinen Lager ummauern konnte.
Nachts kamen keine Steine heruntergezischt und das seltsame Heulen blieb aus. Es gab allerdings auch kein Zeichen von Wolf.
Am nächsten Morgen hatte der Wind sich gelegt. Die Stille kam Torak unnatürlich vor.
Er war noch nicht lange aus der Felsspalte heraus, als er Spuren im Schnee entdeckte. Vor einiger Zeit war ein Rudel Hunde durch die Schlucht gejagt. Torak fand sieben Spuren, größer als alle, die er je gesehen hatte.
Mit trockenem Mund zog er sein Messer und folgte den Spuren um einen Felsvorsprung herum.
Der junge Hase war auseinandergerissen. Dunkelrote Eingeweide lagen wie achtlos weggeworfene Seile auf dem Schnee verstreut. Eisverkrustete Augen glotzten starr aus dem zerfetzten Schädel.
Torak konnte es genau vor sich sehen: das verzweifelte Hin- und Herspringen des Hasen, als die Hunde plötzlich über ihm waren. Sie hatten ihn auseinandergerissen und dabei über dreißig Schritte Fleisch und Hirn verspritzt, ohne etwas davon zu essen. Sie hatten es aus purer Lust am Töten getan.
Als er für die Seele des Hasen ein Gebet sprach, stiegen Mitleid und Ekel in ihm auf. Kaum hatte er sich wieder in Bewegung gesetzt, da musste er für sich selber beten. Er hatte Renn erzählt, dass Eostra ihn lebend haben wollte. Doch lebend, so wurde ihm jetzt klar, hieß nicht unbedingt unversehrt.
Schweißgeruch stieg aus dem Kragen seines Gewandes auf. Ein Hund würde diesen Geruch aus einer Entfernung von einem Tagesmarsch riechen. Er bedeutete: Ich habe Angst.
Ein dumpfer Schlag hinter ihm.
Er fuhr herum.
Und sank erleichtert zusammen.
Rek blickte vom Schädel des Hasen auf und stieß ein beschäftigtes Krächzen aus, dann machte sie sich wieder daran, eines der Augen auszupicken.
Als Torak sein Messer wegsteckte, kam Wolf über den Schnee auf ihn zugesprungen.
Bist du der Eule gefolgt? , fragte Torak nach der ersten überschwänglichen Begrüßung.
Ja , sagte Wolf. Aber das Junge hab ich nicht gefunden.
Tut mir leid.
Wo ist die Rudelgefährtin?
In Sicherheit, sagte Torak, aber sie hat sich die Pfote verletzt.
Du vermisst sie.
Ja.
Ich auch.
Wolf hielt die Nase in die Luft. Hunde. Weit weg.
Sie sind stark und es sind viele, sagte Torak. Große Gefahr.
Wolf schmiegte sich an ihn und wedelte mit dem Schwanz.
Sie waren nicht weit gegangen, als der Rotwasserfluss in einem widerhallenden Tunnel unter dem Gestein auftauchte. Rip und Rek flogen zu einem Felsvorsprung hinauf, der in die Schlucht ragte, und wieder zurück zu Torak. Sie riefen ungeduldig. Mach schon. Es ist ganz leicht!
»Nein. Im Gegenteil!«, keuchte Torak, als er und Wolf sich an den Aufstieg machten. Der Pfad bestand aus steinernen Messerklingen. Eine böse Macht hatte den Fels in unzählige senkrechte spitze Splitter bersten lassen. Selbst durch seine Stiefel hindurch waren Toraks Füße bald von blauen Flecken übersät. Er war noch nicht weit gekommen, als ihm auffiel, dass Wolf humpelte. Seine Ballen waren im Zickzackmuster von Schnitten durchzogen.
Tut mir leid , sagte Torak.
Wolf leckte ihm übers Ohr.
Hoch im Norden hatte Torak Schlittenhunde mit Stiefeln an den Pfoten gesehen. Das Einzige, was er für Wolf tun konnte, war, dessen Füße mit dem Leder aus seinem alten Wams zu verbinden. Wolf störte ihn immer wieder und wollte sehen, was er da machte, und als die Verbände festgezogen waren, musste Torak in streng ermahnen, damit er sie nicht auffraß.
Vor lauter Sorge um Wolf, den er nicht aus den Augen ließ, bemerkte er erst auf dem Felsgrat, dass sie oben angekommen waren. Er richtete sich auf und rang nach Luft. Vor ihm ragte der Berg der Geister auf.
Sein Gipfel berührte die Wolken. Seine strahlend weißen Ausläufer wehrten ihn ab. Heilig, heilig. Ein Ort der Geister, nicht der Menschen.
Er sank auf die Knie und verspritzte ein wenig Erdblut als Opfergabe. Mit gedämpfter Stimme bat er den Berg, ihm zu verzeihen, dass er ihm zu nahe kam.
Wolken zogen heran und
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