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Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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sah Torak auf den besinnungslosen Körper des Seelenwanderers. Seine Haut war grau; grau waren auch die Flammen, die auf dem Opfertisch züngelten. Alles war grau, bis auf das kalte rote Herz des Feueropals.
    Tief in ihrem eiskalten Innern versuchte Toraks Geist, sie dazu zu bringen, einen Stein zu ergreifen und den Opal zu zerschmettern, aber ihr Wille war der stärkste, dem er je begegnet war. Ihr Wille ließ den seinen zu Stein erstarren. Genau das war ihre Stärke: dass sie keine Freude kannte, keinen Schmerz, nichts außer der Gier nach ewigem Leben. Ihre Tokoroths waren keine von Dämonen besessenen gequälten Kinder, sondern Geschöpfe, die dazu erschaffen waren, ihren Willen durchzusetzen. Ihre Hunde waren lediglich Waffen, die man benutzte und dann beiseitewarf wie zerbrochene Feuersteine. Der Junge auf dem Felsen war nur die Hülle jener Kraft, nach der es sie verlangte; zerriss sie diese Hülle, gehörte die Kraft ihr. Das war das Böse, das kalte, eiskalte Böse. Toraks Geist ertrank darin.
    Plötzlich erstarb Eostras Stimme. Das Klappern der Tokoroths verstummte.
    Wortlos warf die Maskierte einen Schild aus Rohleder über das Feuer, dessen Schein sofort erlosch. In der Dunkelheit sprach sie.
    Gewandt wie die Robbe … der Listige,
Tenris … Komm herbei!
    Fast unmerklich füllte die Höhle sich mit dem Plätschern am Strand versiegender Wellen. Hinter dem Opfertisch verdichtete, verdickte sich der Rauch – und nahm die Gestalt eines Mannes an. Durch die Augen der Seelenesserin nahm Torak ein stattliches, wenn auch zerstörtes Gesicht wahr; er hörte eine Stimme, glatt und stark wie das Meer.
    Tenris ist hier.
    Singend hob die Maskierte das Leder vom Opfertisch. Rauch wallte auf, Flammen züngelten. Sie erstickte sie wieder.
    Mächtig wie die Eiche, der Stärkste von allen,
Thiazzi … Komm herbei!
    Blättergeraschel. Ein mächtiger Schatten erhob sich.
    Thiazzi ist hier.
    Wieder ertönte Eostras Singsang. Wieder erstickte sie das Feuer und ließ es erneut aufflammen.
    Schnell wie die Fledermaus, die Verdrehte,
Nef… Komm herbei!
    Das ledrige Flattern von Fledermausschwingen ertönte. Schwirrende Motten kamen zusammen und bildeten die Humpelnde.
    Nef ist hier.
    Während er sich in Eostra aufhielt, konnte Torak lediglich dabei zusehen, wie sie die Ruhelosen Toten zusammenrief; und sie mussten sich ihrem Befehl beugen, kraft der Macht des Feueropals.
    In ihrem verdunkelten Geist sah Torak ihre Vorstellung dessen, was kommen würde. Auf den Bergen und im Eis, im Wald sowie auf Seen und dem Meer ducken sich die Stämme ängstlich vor Eostra, die die Lebenden regiert und die Toten … Eostra, die ewig lebt.
    Eostra war unbesiegbar. Alles, wofür Torak drei lange Winter gekämpft hatte, war vergebens gewesen.
    Die Seelenesser waren zurückgekehrt.

Kapitel 36

    Tief im Berg vernahm Wolf das Rascheln von Blättern.
    Von Blättern?
    Er blieb abrupt stehen. Das passte nicht.
    War das wieder eine List der Verborgenen? Sie hassten es, dass er hier war; sie hassten jeden, der in den Berg eindrang. Sie streuten Geräusche und Gerüche, damit er nicht mehr wusste, woher sie kamen.
    Wolf lief weiter, ohne zu wissen, wohin. Er lief schon eine Ewigkeit durch diesen schrecklichen verschlungenen Bau. Er hatte die Duftspur der Rudelgefährtin verloren und roch nichts anderes als nassen Fels und ängstlichen Wolf. Er hatte Durst, seine Flanken schmerzten von den Krallen der Dämonenwelpen und er hatte Groß Schwanzlos immer noch nicht gefunden.
    Jetzt kam er an eine Stelle, an der sich der Bau weitete. Der Atem des Berges strich über sein Fell. Er fand ein wenig Nass in einer Pfütze und leckte es auf. Die steinernen Knochen, die gleich danebenlagen, beachtete er überhaupt nicht. Auch das war nur ein übler Trick, denn er hatte schon einmal in einen hineingebissen und dabei fast einen Zahn verloren.
    Plötzlich hob er den Kopf. Aus der Ferne wehte ein Geruch in seine Nase. Bebend vor Erregung, atmete er mehrmals tief ein, um sicherzugehen. Ja! Sein Rudelgefährte!
    Der Geruch kam von oben herabgerieselt. Wolf stellte sich auf die Hinterläufe und legte die Vorderpfoten auf den Fels. Zu dunkel, um etwas zu sehen … aber er spürte den Hauch eines kleinen Baus. Er stieß sich ab, scharrte mit den Krallen am Stein … und war drin.
    Der Bau war so klein, dass er die Ohren anlegen und auf dem Bauch kriechen musste. Die Wände kratzten ihn an den Seiten und drückten ihn, bis er kaum noch Luft bekam. Dann spuckten

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