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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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sich weiterzugehen.
    „Die Ahnen haben das Land mit einem Tabu belegt. Der Halken wird das Tabu der Ahnen nicht missachten.“
    „ Was soll das heißen?“, verlangte Sarn zu wissen.
    „ Der Halken kann diese Linie nicht überschreiten.“
    „ Wer hätte das gedacht?“, stichelte Sirr mit ätzendem Hohn. „Hat der große böse Ork etwa Angst vor einer Wiese.“
    Der Halken warf Sirr einen kalten Blick zu, bewegte sich aber keinen Zentimeter weiter.
    „Wie willst du Erich beschützen, wenn du dich weigerst, diese Linie zu überqueren?“, fragte Sarn. „War es nicht das, was du geschworen hast?“
    „ Er muss bleiben. Das Tabu darf nicht gebrochen werden. Wir müssen alle bleiben.“
    Sarn versuchte dem Halken gut zuzureden und ihn mit allen möglichen Argumenten davon zu überzeugen, dass die Ahnen die Schneise in ihren Plan mit einbezogen haben mussten, als sie dem Halken seinen Auftrag erteilt hatten und dass es deshalb bestimmt ungefährlich sein würde diese zu überschreiten, aber der starrköpfige Ork ließ sich davon nicht überzeugen. Sarn war schon nahe dran ernsthaft über den Vorschlag von Sirr nachzudenken und ihn einfach zurückzulassen, aber nicht das erste Mal wurde ihm die Entscheidung von Kern abgenommen. In einem unbeobachteten Augenblick trat er plötzlich hinter Erich, warf ihn sich über die Schulter und rannte mit ihm zum gegenüberliegenden Waldrand, bevor mein Herr oder einer der anderen überhaupt begreifen konnten, was los war. Drüben angekommen ließ Kern meinen Herrn unsanft fallen, baute sich mit herausgereckter Brust auf und blickte mit stählernem Blick und im Wind flatternden Umhang in eine unbestimmte Ferne.
    „Alea iacta est!“, deklamierte er voll Pathos.
    Der Halken stieß irgend einen Fluch oder eine Schutzformel aus und lief vor lauter Wut rot an.
    Sarn nutzte die Gelegenheit, um ebenfalls über die Schneise hinweg auf die andere Seite zu laufen.
    Mit einem hämischen Blick auf den Halken, der hilflos zitternd zwischen den Bäumen stand schlenderte schließlich auch Sirr hinüber.
    „Siehst du? Alles in Ordnung!“, rief Sarn dem Ork zu, der offensichtlich nicht wusste, was er jetzt tun sollte. „Komm schon, es kann dir nichts passieren!“
    Es dauerte noch eine Weile aber dann fasste sich der Halken ein Herz, presste die Augen fest zusammen und tastete sich vorsichtig Schritt für Schritt über die Schneise, bis er bei den anderen angekommen war.
    „Die Passage ist sicher. Die Ahnen geben den Weg frei.“, verkündete er mit zitternder Stimme. Dann verpasste er Kern einen unsanften Schubser und folgte den anderen zwischen die Bäume.
    Sirr kicherte kalt und auch Sarn konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    So gelangten wir alle unbeschadet über die Schneise und versuchten danach erneut der Straße zu folgen. Aber nun waren auch ihre letzten Überreste verschwunden. Hin und wieder ragte ein Wegstein zwischen Moos und sich zersetzendem Laub heraus, oder eine Platte, die einst zum Straßenbelag gehört haben mochte, aber das war auch schon alles, was von der Straße übrig geblieben war. Dafür stießen wir auf etwas, das wir nicht erwartet hatten: andere Hürnin!
    Als wir plötzlich von den bewaffneten Männern und ihren Dämonen umstellt wurden, dachte ich erst, wir wären doch noch von Chulak eingeholt worden, aber diese bärtigen Gestalten in ihrer Lederkleidung, die viel Haut frei ließ, hatten wenig mit Chulaks Kriegern gemein. Im Gegensatz zu Chulaks Männern trugen sie glattes Leder ohne Fellbesatz und ihre Art von Kleidung und Schmuck war mir völlig fremd. Ihre langen dunklen Haare waren zu Zöpfen geflochten, in denen Perlen und durchbohrte Münzen schimmerten. Über der weichen Lederkleidung trugen sie Rüstungsteile, die uralt sein mussten und wahrscheinlich vom Sommerfeld oder den umliegenden Gräbern stammten. Als Bewaffnung hatten sie mannshohe Speere mit keulenartigen Enden bei sich. Der eine oder andere hatte aber auch eine Armbrust über seine Schulter geworfen. Ihre Dämonen waren zwischen den Bäumen kaum zu sehen, denn ihre Gestalt erinnerte an Rinde und Laub.
    Die Krieger schienen nicht feindselig gestimmt zu sein, sonst hätten sie schon lange Gelegenheit dazu gehabt Erich und die anderen von allen Seiten zu durchlöchern. Dennoch stellte sich der Halken schützend vor Erich und hielt sein Haumesser bereit. Erich sah es zum ersten Mal so deutlich aus nächster Nähe und schon allein der leichte Ölgeruch, der davon ausging, bereitete

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