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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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schließlich auch von einer Straße erwarten würde, die seit Jahrhunderten dem Verfall preisgegeben war.
    Sirr war noch nie so weit nach Süden vorgestoßen, aber sie nahm es als schlechtes Omen, dass die Magie, die die Straße in ihrem Zustand bewahrt hatte, in der Nähe des Sommerfeldes nicht mehr wirkte. Diesmal war es Sarn, der nichts darauf erwidern konnte. Das Sommerfeld begann immer deutlicher seine Schatten voraus zu werfen.
    Auch wenn es die Straße hier im Wald nicht mehr gab, setzten wir den Weg entlang ihrer Route fort. Dabei stießen wir am Morgen des folgenden Tages auf zwei rankenbewachsene Hügel beiderseits der ehemaligen Straße, die niemand außer dem Halken richtig einordnen konnte. Irgendwo hatte ich die violett-gelben Blüten, die sie schmückten, schon einmal gesehen, aber ich wusste nicht, wo. Während die anderen sich fragten, wer die Hügel wohl hier errichtet haben mochte und zu welchem Zweck, nahm der Halken seine Rucksäcke und Taschen ab, um vor den Hügeln nieder zu knien und zu beten. Zumindest war es das, wofür wir sein Gemurmel hielten. Kern, der offensichtlich keine Lust hatte, darauf zu warten, dass der Ork fertig wurde, hüpfte inzwischen fröhlich pfeifend in den Wald hinein.
    Als der Halken schließlich verstummte und sich die trockenen Tannennadeln von den Knien klopfte, konnten ihn die anderen endlich fragen, warum er vor den Hügeln angehalten hatte.
    „ Wo die Grabranken wachsen, da verrichte dein Gebet für die Verstorbenen, seien deine Ahnen unter ihnen oder nicht.“, antwortete er mit ernstem Gesichtsausdruck und deutete auf die Pflanzen, welche die Hügel vollständig bedeckten, aber nirgends sonst zu sehen waren. „Sie ernähren sich von den Knochen der Toten. Hier hat man die begraben, die auf dem Schlachtfeld ihr Leben gelassen haben. Wir sollten diesem Ort mit Respekt begegnen.“
    „ Pah!“, sagte Sirr abfällig. „Aberglaube!“
    Kaum hatte sie das gesagt, als ein Geräusch zu hören war, das von der Rückseite eines der Hügel kam. Kerns Kopf tauchte auf und wir konnten sehen, wie er, sich an den Grabranken hochziehend, die Kuppe des Hügels erklomm.
    „Kern, komm sofort da runter!“, rief Sarn empört und machte sich daran ebenfalls den Hügel hochzusteigen. Die kräftige Hand des Halken hielt ihn zurück. Kern hatte sich derweil gebückt und die Ranken auseinander geschoben, so als würde er dort oben etwas Bestimmtes suchen. Er zog an etwas und hielt plötzlich ein rostiges Schwert in der Hand.
    „ Seht den einstigen und zukünftigen König von Noibla!“, rief er begeistert und schwang das Schwert hoch über seinen Kopf, wobei er Erde und Rostflocken in alle Richtungen schleuderte. „Bei der Macht von Lluksyerg! Ich habe die Macht!“ Diese ruppige Behandlung machte die uralte Waffe nicht mit und brach dicht über der Parierstange ab, wobei der vordere Teil Kern mitten auf den Kopf fiel.
    „ Au!“ Kern ließ den nutzlosen Griff des Schwerts fallen und rieb sich mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck seine schmerzende Schädeldecke.
    „ Jetzt kommst du aber auf der Stelle da runter, du verrückter Alter!“, schimpfte Sarn und Kern stieg schmollend zu ihnen herab.
    Es dauerte eine Weile, bis Erich nach dieser Störung der Totenruhe den Mut fand Sarn zu fragen, was Kern mit seinem Gefasel gemeint haben könnte. Aber Sarn schien nicht in der richtigen Stimmung zu sein um Fragen zu beantworten, auf die es wahrscheinlich sowieso keine Antwort gab.
    Diese beiden Grabhügel blieben nicht die einzigen, die wir fanden. Immer wieder stießen wir im Wald auf die überwucherten Reste von Gräbern. Bei manchen handelte es sich um Hügel wie solche, die wir bereits gesehen hatten, allerdings weit weniger hoch, bei anderen um Einzelgräber mit grob behauenen Steinen. Manche hatten den Einfluss der Witterung so gut überstanden, dass darauf sogar noch Schriftzeichen zu erkennen waren, die aber keiner von uns entziffern konnte.
    „ Es waren keine Hürnin, die diese Gräber errichtet haben.“, stellte Sarn fest. „Wie auch? Nach der Niederlage waren die Reste des Heers in alle Winde zerstreut. Von den Überlebenden hatte keiner die Zeit oder die Kraft die Toten zu begraben. Es ist aber trotzdem möglich, dass hier Hürnin liegen. Zumindest in den Grabhügeln. Nach einer Schlacht von dieser Größe wird es Wochen und wahrscheinlich Monate gedauert haben, bis die Verwundeten entweder gestorben sind oder soweit geheilt waren, dass man sie von hier wegbringen

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