Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Männer zu verletzen, aber dann fand auch er sich wie die anderen gefangen von einem oder mehreren Stockgalgen, die nach seinen Beinen und seinem Hals griffen. So sehr sie sich auch dagegen wehrten, sie waren zu schwach, um sich gegen gut genährte und ausgeruhte Männer durchzusetzen, die in der Überzahl waren. Dennoch schienen die es nicht darauf ankommen zu lassen mit ihnen zu spielen und hatten es nun eilig, sie hinunter zum Baum zu bekommen. Ein paar unserer Mitgefangenen wurden schon den verästelten Ausläufern übergeben, wo sie wie seltsame Früchte hängen blieben, und eine qualvolle Verbindung mit dem Baum eingingen, aber den Rest führte man direkt in Richtung Stamm weiter.
Erich merkte, wie sein Verstand abzugleiten begann. Dieser Wahnsinn um ihn herum konnte einfach nicht wahr sein. Die Schreie, die heiser an seine Ohren drangen, mussten ebenso ein schlimmer Alptraum sein wie das dickflüssige Blut, das wie Harz aus den Wunden der Verdammten tropfte.
Wie als würde sich die Zeit verlangsamen sah er, wie der erste in der Reihe ihrer Bewacher plötzlich vom Kamel fiel. Dieser Sturz machte so wenig Sinn wie alles andere um ihn herum und erst als auch ein zweiter leblos in sich zusammensackte, begann Erich zu begreifen, dass hier etwas nicht ganz so lief, wie man sich das vorgestellt hatte. Sarn, Kern, der Halken und sogar ein paar ihrer Mitgefangenen waren weniger schwer von Begriff. Staunend sah Erich wie der Halken eine der Wachen an ihrem Schlingenstock nah genug an sich heranzog, um den Mann mit der Hand zu erreichen. Mit einer seltsamen Geste mit abgespreiztem kleinen Finger verpasste ihm der Halken einen kleinen Klaps auf die Backe, doch obwohl das keine schlimmer Verletzung hervorgerufen haben konnte, ließ der kurz darauf seinen Stock los und begann mit Schaum vorm Mund nach Luft zu schnappen. Der Halken entledigte sich seiner Schlingen und griff mit bloßen Händen erneut an. Erich konnte deutlich sehen, dass die kleinen Finger an beiden Händen nicht nur eine andere Farbe hatten als der Rest seiner Hände, sondern auch seltsam geformt waren, fast wie ein Tier.
Während seine Wahrnehmung langsam wieder im tatsächlichen Ablauf der Dinge Fuß fasste, konnte er eine der vielen Geheimwaffen des Halken erkennen, von denen er bisher nichts bemerkt hatte: kleine Giftstachel schossen aus dem Ende seiner kleinen Finger, wann immer er zuschlug. Selten verfehlte er sein Ziel und wenn er traf, trat die Wirkung fast augenblicklich ein. Die Männer sanken zu Boden und hauchten dort gurgelnd und blutigen Schaum spuckend ihr Leben aus. Aber es war nicht der Halken, der am meisten Schaden unter den Bewaffneten anrichtete, sondern die schlanke Gestalt, die in Spinnweben und Dunkelheit gehüllt zu sein schien, während sie in einer Geschwindigkeit um sich schlug, die es schwierig machte zu erkennen, mit was sie da überhaupt angriff. Erst nach einigen Schlägen und nachdem er neben einem getöteten Kamel Deckung gesucht hatte, konnte Erich erkennen, dass es sich bei der Waffe um einen Stab handelte, an dessen Enden je eine gekrümmte Klinge angebracht war.
Und er sah jetzt auch, um wen es sich bei dem Angreifer handelte: Es war Sirr.
Es war Sirr und sie war es auch nicht. Etwas fehlt im Kristallgefüge. Etwas war verschoben. Ihre schlanke Gestalt war immer noch die selbe, aber die Haare waren weiß und dünn wie Spinnenfäden und ihre Augen von einem perlmuttartigen Glanz, der es schwierig machte, darin Pupillen zu erkennen. Sie war in weiße Seide gehüllt, die ihren Körper wie eine zweite Haut umschloss und selbst dort, wo der Stoff ihre Haut durchschimmern ließ, war kaum ein Unterschied zu erkennen. Alles an ihr war hell wie Schnee. Lediglich ihre Lippen waren rot wie Blut.
Sarn und die anderen kämpfenden Männer achteten nicht darauf, denn es war ihnen egal, wer ihnen da so plötzlich half. Sie konzentrierten sich auf die verbliebenen und von anderen Orten neu dazukommenden Wachen und erst als von denen keine Gefahr mehr ausging, wandten sie ihre Aufmerksamkeit ihren Kameraden zu, um festzustellen, wer Hilfe brauchte. Dann rannten die Hürnin so schnell sie konnten von dem Dämonenbaum weg.
„Sie ist zum Tod geworden. Zum Zerstörer von Welten.“, hörte Erich Kern murmeln, aber sie hatten keine Zeit darauf zu achten.
„ Wo ist das Ritualmesser?“, wollte Sirr wissen, als sie Sarn eingeholt hatte.
Sarn war zu überrascht oder zu außer Atem, um gleich darauf zu antworten. Also wiederholte Sirr
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