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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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scheuchen, bevor sie sich endlich auf den Weg in den Tod oder die Freiheit machten. Einer von ihnen war so schlau sich eines der Kamele zu nehmen, die nicht weit von uns entfernt um einen Wassertrog standen und Sarn machte sich auf der Stelle daran ein paar Tiere für uns auszusuchen und für eine schnelle Flucht vorzubereiten. Dann schloss er eilig das Tor zum Innenhof.
    Wir lauschten ängstlich, ob aus dem Inneren des Gebäudes etwas zu hören war, aber alles blieb ruhig. Sowohl Sarn als auch der Halken warfen einen Blick auf Erichs Wunde, aber es gab nichts, was sie im Moment für ihn tun konnten. Der abgebrochene Zweig war inzwischen fest mit seiner Haut verwachsen.
    Dann erschien plötzlich Sirr auf einem Balkon und warf uns ein paar Rucksäcke und Taschen vor die Füße, bei denen es sich teilweise um unsere handelte, teilweise aber auch nicht. Eine schattenhafte Gestalt war neben ihr aufgetaucht, unwirklich wie die Reflexionen des Mondes in einem unruhigen See.
    „ Du hättest sie nicht töten müssen. “, sagte die Gestalt mit einer Stimme, die die Hürnin zusammenzucken ließ und funkelte die Männer unter ihr nach einem kurzen Moment finster an. Dann verschwand die Erscheinung wieder und Sirr glitt zu uns herunter als besäße sie nicht mehr Gewicht als eine Feder. Erst als sie den Boden erreichte und ihre erhobene Hand sinken ließ, war zu erkennen, dass sie sich an einem fast unsichtbaren Faden von einem Balken heruntergelassen hatte.
    „ Ich habe es. Verschwinden wir.“
    Tatsächlich hielt sie das Ritualmesser in ihrer Hand. Es war von Reif bedeckt und ich hätte schwören können, dass ich einer Sinnestäuschung erlag, als ich es betrachtete. Doch ich hatte keine Augen aus Gewebe und Flüssigkeit und der Bereich um das Messer herum war tatsächlich unwirklich verzerrt, wie durch trübes Wasser.
    Frisches Blut bedeckte Sirrs Hände und in langen Spritzern auch ihr Gesicht. Aber noch während ich das bemerkte, verschwand es in ihrer Haut wie Wasser, das von einem Schwamm aufgesogen wird.
    Wie selbstverständlich schwang sich Sirr auf eines der Kamele und wartete kaum, bis die anderen das Gepäck und den immer noch bewusstlosen Erich auf den übrigen Kamelen verteilt hatten, bevor sie losritt und durch das Tor nach draußen brach. Ihr Kamel brüllte vor Schmerz auf, hielt aber nicht inne. Wir folgten ihr.
    Erst als wir Lazara weit hinter uns gelassen hatten und Sirr ihrem Reittier gestattete in eine gemächliche Gangart zu fallen, hatte Sarn Gelegenheit all die Fragen zu stellen, die ihm auf der Zunge brannten. Noch während wir im Kamelsgalopp unterwegs waren, hatte er es fertig gebracht, seine zerrissene Kleidung gegen einen unbeschädigten Überwurf aus einer der Satteltaschen auszutauschen und sich ein Tuch vor das Gesicht zu binden. Auch die anderen vermummten sich nun auf diese Weise und als der Halken auch noch Erich mit einem Tuch abdeckte, unterschieden wir uns kaum von den wenigen anderen Reisenden auf der Straße, abgesehen davon, dass die es viel weniger eilig hatten. Der Dämonenbaum wurde immer kleiner und verschwand schließlich hinter einer Reihe von Sanddünen. Fürs erste waren wir entkommen, auch wenn ich nicht sagen konnte, wie es um meinen Herrn stand.
    Während Sarn Sirr seine Fragen stellte, schien Kern sich lieber mit seinem Kamel über die Gefahren von etwas zu unterhalten, das er 'Tabak' nannte und der Halken hielt sowieso respektvollen Abstand zu ihr und sah regelmäßig nach Erich. Doch sein Zustand war unverändert.
    „Wie kann es sein, dass du noch lebst?“, wollte Sarn wissen. „Woher wusstest du, wo wir sind und was hast du mit dem Messer zu schaffen? Warum hast du es gestohlen? Und wo willst du hin? Sprich mit mir!“
    Sirr öffnete seelenruhig einen Wasserschlauch, der an einer Seite des Kamels gehangen hatte und trank einige Schlucke, ohne Sarn aus den Augen zu lassen.
    „Ich habe euch allen das Leben gerettet. Das sollte euch genügen.“
    „ Das tut es aber nicht!“, rief Sarn erbost. „Mag sein, dass du uns das Leben gerettet hast, und dafür sind wir dir auch dankbar, aber wenn du uns weiter nach Drachall begleiten willst, wirst du uns sagen, was passiert ist und was du vorhast. Jetzt gleich!“
    „ Er hat Recht. “, sagte plötzlich eine spinnwebdünne Stimme aus dem Nichts heraus und Sirr runzelte verärgert die Stirn. Doch dann fing sie sich wieder und lächelte ihn eisig an.
    „ Du schätzt die Lage falsch ein, alter Mann. Ihr seid es, die mit mir

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