Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
die unsere Vermutung bestätigt haben. Ein Dämon von drüben hat versucht ihn sich zu greifen. So wie du es vom Tag des Bundes erzählt hast.“
„ Warum habt ihr … ?“
„ Wir haben eine Weile darüber nachgedacht, ob wir ihn bei uns behalten. Aber er ist ein Hürnin. Eine Türschwelle ist der Ort, an dem seine Geschichte beginnen sollte, nicht die Hütte von Baja. Unsere Aufgabe ist eine andere. Schlaf jetzt. Es hat keinen Sinn dir weiter über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die du nicht ändern kannst.“
Kaum hatte sie das gesagt, als Sarn auch schon die Augen zufielen und er gegen ein Bündel alter Besenstiele sinkend einschlief. Ba und Ja lächelten und ich erkannte, dass sie irgendeinen Zauber über Sarn und ihre gesamte Behausung gelegt hatten. Der ganze Raum begann zu schwanken und mit einem Mal erlosch das Licht, das durch die Fenster herein gedrungen war.
Wie ein gedämpfter Herzschlag dröhnte die Behausung der Schwestern im Takt von gewaltigen Schritten und ich hatte das Gefühl, dass der ganze Hügel aufgestanden war, um sich auf den Weg nach Chonled zu machen.
Ich kann es nicht anders erklären, denn ich kann mich kaum noch daran erinnern, was in diesen Augenblicken oder Stunden passiert ist. Bajas Hütte rutschte durch das Gitter des Kristallgefüges und kam an einem weit entfernten Ort wieder zurück.
Ich merkte es, weil das Licht anders in den Raum fiel und plötzlich wieder Geräusche von draußen herein drangen. Auch Sarn wurde davon wach. Er reckte sich benommen und sah aus, als hätte er eine lange Nacht hinter sich.
„ Was ist passiert? Wo bin ich?“
„ Im Haus von Baja.“, sagten die Frauen gleichzeitig. Sie hatten kaum noch Ähnlichkeit mit den beiden Alten, welche die Operation an Erich durchgeführt hatten. Sie hatten zwar immer noch die gleichen Gesichtszüge und um ihre Augen sammelten sich Falten wie durstige Rinder an einer Wasserstelle, aber ihre Haare waren voll und von satter brauner Farbe, ihre Körper drall und kräftig und ihre Haut so rosig als wären sie gerade nach einem Tag auf dem Feld nach Hause zurückgekehrt. Aus dem Gang waren Schritte zu hören und als Sarn den Kopf drehte, um zu sehen, wer zu ihnen in den Raum kam, erkannte er mit Erstaunen Erich, der bleich war wie der Tod und sich am Türrahmen festhalten musste, um nicht umzufallen, aber ansonsten wohlauf schien. Er hatte den Verband abgelegt und wir konnten erkennen, dass die Wunde an seiner Seite vernarbt war. Vom schwarzen Geflecht auf seiner Haut war nur ein grauer Schatten übrig geblieben.
„ Chonled ist nicht mehr fern. Ihr solltet gehen, um eure Freunde zu suchen.“, sagte Baja.
Kapitel 9 – Wispern in den Wänden
Wir verließen die Wohnung der beiden Schwestern wie man einen Traum verlässt. Es war merklich kälter geworden und der Wind trug einen Hinweis auf den nahenden Schnee zu uns heran. Von den Hügeln mit den Dornbüschen und den Blumen vor der Höhle war nichts zu sehen. Zwar führte die runde Tür immer noch aus dem Inneren der Erde heraus, aber hier befand sie sich in einem ausgetrockneten Flussbett voller Geröllbrocken und von der Sonne gebleichter Baumstämme.
Sarn drehte sich staunend einmal um die eigene Achse. „Wo sind wir hier? Wie sind wir hier hergekommen? Wo ist der Halken?“
Die Schwestern lächelten und deuteten die steile Uferböschung hinauf. „Da drüben steht Chonled. Wir haben den Ork vorausgeschickt, sein Gestank war einfach nicht mehr zu ertragen.“
Langsam begann Sarns Verstand wieder normal zu arbeiten. Er wandte sich Erich zu und untersuchte die Narbe an seiner Seite. „Wie fühlst du dich?“, wollte er wissen.
Erich zuckte mit den Schultern. „Ein wenig schwach, aber ich denke es geht schon. Was ist passiert? Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie uns diese Ziegenhirten gefangen genommen haben.“
„ Du bist auf der Flucht verletzt worden. Ba und Ja haben dich geheilt.“
Erich wandte sich um und stakste dann unsicher über Kies und Felsen zu den beiden Frauen, um sich bei ihnen zu bedanken.
„Es gibt keinen Grund dafür.“, wehrte Ba ab. „Die Feinde des Scharifs sind unsere Freunde. Freunden hilft man ohne eine Belohnung dafür zu erwarten.“
„ Wir sind euch dennoch zu Dank verpflichtet.“, erwiderte Sarn, der sich zu ihnen gesellt hatte. Er betrachtete noch einmal Erichs Körper, der zwar von seiner Verletzung genesen, aber erschreckend mager war. Man konnte die Rippen durch die Haut sehen und seine Augen lagen
Weitere Kostenlose Bücher