Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Siegel oder einer Schwelle steht, dann kämpft nicht und lauft auch nicht weg. Nichts erregt die Aufmerksamkeit von etwas Unsterblichen mehr als Angst oder Aggression. Und nun lebt wohl. Vielleicht werden wir uns eines Tages wiedersehen. Und falls ihr auf eurer Reise zufällig unserem Freund Tom begegnen solltet, grüßt ihn von uns. Er ist leicht an seiner bunten Kleidung und an seinen Liedern zu erkennen.“, sagte sie, während nun auch sie sich umdrehte und ihrer Schwester folgte. Die grüne Tür wurde von innen zugezogen und verband sich mit der Böschung des Flussbetts wie ein Regentropfen mit dem Meer. Kurz darauf war dort, wo sie sich befunden hatte, nur noch Geröll zu sehen.
„ Was hatte das denn zu bedeuten?“, wollte Erich verwirrt wissen.
„ Ich habe keine Ahnung.“, musste Sarn offen zugeben. „Lass uns hier verschwinden, dieser Ort verursacht eine Gänsehaut nach der anderen bei mir.“
Sie kletterten die Böschung hinauf und klopften sich den Schmutz vom Leib. Die Schwestern hatten sie in eine Art Flussdelta gebracht, das zwar trocken lag, aber immer noch von unzähligen Flussbetten durchzogen wurde, die wie ein fächerförmiger Blitz in der Ferne auseinander liefen.
Das bedeutete, dass wir ständig weitere Gräben durchqueren mussten, um näher an die Burg heranzukommen, die klein aber deutlich am Horizont zu erkennen war. Eine Weile folgten wir auch einem der Flussbetten, bis die Hürnin feststellten, dass das keineswegs einfacher war und es uns zudem nicht in die Richtung führte, in die wir eigentlich wollten. In den weniger anstrengenden Abschnitten ihrer Wanderung, in denen er genügend Luft dafür hatte, brachte Sarn Erich auf den neuesten Stand darüber, was passiert war, nachdem sie von den Dienern des Scharif gefangen genommen worden waren. Ich ergänzte das eine oder andere was Sarn vergaß oder nicht wissen konnte, aber Erich nahm die Neuigkeiten fast ohne eine Regung zu zeigen entgegen. Noch nicht einmal die Vermutungen über seine Eltern ließen ihn aufhorchen. Es schien ihm völlig egal zu sein, dass Baja gesagt hatte sie kämen vielleicht aus der Dämonenwelt.
Aber ich konnte sehen, dass sich in seinem Kopf die Gedanken gegenseitig jagten. Doch noch konnte er sie nicht in Worte fassen. Ich wusste, dass es ihn misstrauisch machte, dass er den Angriff des Dämonenbaums anscheinend ohne weitere Folgen überstanden hatte. Die Erklärung mit den Äpfeln des Königs genügte ihm nicht. Vielleicht war er auch nur davon eingeschüchtert, dass es überhaupt so etwas wie einen Dämonenbaum gab. Auch ich verstand nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Um wie viel verwirrender musste es dann erst für ihn sein?
Um zumindest den Abstieg in die Flussbetten zu erleichtern, brachen die beiden Hürnin sich bald lange, von Wind und Wasser entrindete und glatt geschliffene Äste ab, an denen sie sich hinunterlassen konnten und die auch beim Aufstieg eine große Hilfe waren. Dennoch schien Chonled kaum näher zu kommen.
„ Wenn es hier nicht irgendwo eine Straße gibt, die wir übersehen haben, sind Sirr, Kern und der Halken mit ihren Kamelen nicht viel weiter gekommen.“, sagte Sarn, während wir nach einer weiteren kräftezehrenden trockenen Flussüberquerung eine kurze Verschnaufpause einlegten. Sie hatten nach wie vor schrecklichen Hunger und auch der Durst wurde immer quälender, aber langsam machten wir Fortschritte. Inzwischen waren von Chonled einzelne Mauern und Türme zu erkennen und sogar Wimpel, die von den Dächern flatterten. Erst bei der nächsten Rast wies Erich Sarn auf etwas hin, was ihnen zuvor entgangen war.
„ Sarn, diese Fähnchen bewegen sich ja gar nicht.“
Sarn kniff die Augen zusammen und starrte zur Burg hinüber. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, ließ es dann aber doch sein. Was hätte er auch sagen können? Das Fähnchen auf dem Turm stand tatsächlich still. Auch sonst waren bei der Burg keine Bewegungen auszumachen.
Sarn zuckte mit den Schultern und untersuchte noch einmal Erichs Narbe, aber sie war vollständig verheilt und Erich spürte keinen Unterschied mehr zu vorher. Aber irgend etwas war anders, das konnte ich im Kristallgefüge sehen. Haut und Muskeln, die über der Verletzung wieder zusammengewachsen waren, schwangen anders in den Farben der Magie als der Rest seines Körpers. Kaum wahrnehmbar, aber immerhin so stark, dass ich mehr darüber herausbekommen wollte.
„ Icher, bitte lass das.“, sagte Erich leise und ich zuckte ertappt
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