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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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endlich zu wissen, aus welcher Familie er stammte. Aus einer Familie, die zwar aus den Geschichtsbüchern der Hürnin getilgt worden war, aber die das Schicksal des Volkes entscheidend mitbestimmt hatte. Er war also kein Bauer oder Tagelöhner. Aber er hatte Angst vor der Verantwortung, die das mit sich bringen mochte. Aus welchem Grund hatte man ihn durch das Tor zwischen den Welten geschickt? Was für eine Fähigkeit, die seine Familie angeblich hatte, könnte es rechtfertigen den Aufwand zu betreiben, der ohne Zweifel damit einherging? Sie hatten Macht über Dämonen, hatte Coelacanth gesagt. Ganz zu schweigen davon, dass es auch hier Hürnin und deren Dämonen gab, die ihn deswegen am liebsten tot gesehen hätten. Erich war also in keiner der beiden Welten in Sicherheit.
    „ Erich? Was ist los?“, hakte Sarn nach.
    „ Was? Nichts, ich war nur in Gedanken.“
    „ Und? Was hast du zu der ganzen Sache zu sagen?“
    Erich räusperte sich. „Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. In Hornhus war ich mit Brogu unten in den Katakomben bei den Pförnern, aber ich habe mir nichts dabei gedacht, als eine der Statuen angefangen hat zu leuchten. Brogu hat sie mir nur gezeigt, weil sie schön anzusehen waren, aber da war nichts … und kurz darauf hat uns dieser Wurm angegriffen. Ich weiß nicht. Ich habe jedenfalls keine besonderen Fähigkeiten und Icher auch nicht. Er kann kein Feuer machen wie der Dämon von Brogu und er kann auch niemanden mit einer Berührung töten wie Karak. Was hat Nuur eigentlich für Fähigkeiten?“
    Sarn lachte kurz auf.
    „ Er vergisst nichts.“
    „ Was?“
    „ Was glaubst du, warum ich Geschichtenerzähler wurde, nachdem ich mit Kern zurückgekommen bin? Weil Nuur sich Geschichten ebenso lückenlos merkt wie Truppenstärken und Schlachtpläne. Dummerweise vergesse ich ständig die richtigen Fragen zu stellen, um mir dieses Wissen zu Nutze zu machen. Aber das gehört jetzt nicht hier her. Icher hat sich mehrmals deines Körpers bemächtigt, richtig?“
    Erich nickte.
    „Auch das ist ein Talent, das in der Form nicht alle Horndämonen haben. Alle können in den Körper ihres Herrn fahren, die meisten können ihn bewegen, aber Kämpfen ist noch einmal etwas ganz anderes. Ich musste das jahrelang trainieren. Der Halken auch. Ist dir etwas Ungewöhnliches aufgefallen als Icher dich kontrolliert hat?“
    „ Nein.“
    „ Hmm. Dann bin ich auf eine Begegnung mit deinen Eltern gespannt. Wenn wir es jemals lebendig aus diesem Wald heraus schaffen.“
    „ Der Faden der Ahnen wird uns leiten.“, sagte der Halken zuversichtlich und wir setzten unseren Weg fort.
    Als einige Zeit später die Sonne aufging, befanden wir uns immer noch tief im Dickicht des Waldes. Er hatte wenig mit dem Wald gemein, den wir auf dem Weg zum Sommerfeld durchquert hatten. Hier ragten nur schwarze Stämme empor, die ihre kahlen Zweige in den Himmel reckten. Hier und da fand sich noch ein Baum, der Reste seines Laubs besaß, aber auch diese Nachzügler sahen grau und müde aus. Der Boden war dick mit herabgefallenen Ästen und Blättern bedeckt aus denen umgestürzte Bäume wie Inseln aus einem unruhigen Meer ragten. Wie Gischt klammerte sich fettes Moos an das Holz und schillernde Pilze sprossen aus der sich auflösenden Rinde. Erst mit dem Sonnenlicht kam Leben in den abgestorben wirkenden Wald. Käfer und Tausendfüßler flüchteten vor der sich ausbreitenden Helligkeit und irgendwo in ihrer Nähe konnten wir das dumpfe Hämmern eines Spechts hören.
    Erich war dankbar über das Zwielicht, das zwar kaum die Kraft hatte, sich über dem Horizont zwischen den Baumstämmen hindurch zu zwängen, aber für eine Weile die Bilder dämpfte, die noch immer hinter seinen Augenlidern aufflackerten. Die Scharifoi durchkämmten noch die Höhlen der Wanderfalken, aber es war schon eine ganze Weile her, dass es zu Kämpfen gekommen war. Siroco war offenbar die Flucht gelungen. Und auch wir würden entkommen, wenn wir im Wald nicht auf etwas Unvorhergesehenes stoßen würden.
    „ Er hat es gewusst.“, flüsterte Erich mehr zu sich selbst als zu mir, während die drei Hürnin durch Laub und Unterholz stapften wie durch Neuschnee. Die Blätter waren feucht vom Morgennebel und klebten schwer an ihrer Haut und ihrer Kleidung fest.
    „ Wen meint ihr, Herr? “, wollte ich wissen.
    „ Siroco. Die Vision, die er mit Sirr hatte, muss ihm gezeigt haben, was passieren wird. Ich kann mich daran erinnern, dass ich ihn gesehen habe. Aber es

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