Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Schlagen sollte. Bald sah er aus als hätte er sich die Pocken eingefangen. Er begann Kern zu vermissen, der mit seinen Verrücktheiten wenigstens für etwas Abwechslung gesorgt hatte.
„ Macht euch das gar nichts aus?!“, schimpfte Erich, als sie an einer Quelle ihren Durst gestillt und sich gewaschen hatten. Unterhalb der Quelle hatte sich das Wasser gesammelt und alle verbleibenden Mücken dieses Jahres schienen sich dort zusammengefunden zu haben, um auf sie zu lauern. Erich störte besonders, dass sie so klein waren, dass es aussichtslos war sie mit einem Schlag erwischen zu wollen, weil man sie gar nicht richtig sehen konnte. Alles was er zu Stande brachte war sie für ein oder zwei Sekunden von seiner Haut aufzuscheuchen, bevor sie sich wieder darauf niederließen und irgendwelche Organe in ihn schlugen, die sich für Erich so groß anfühlten, wie die Stachel von Bienen.
„ Es wird besser, wenn man sie sich satttrinken lässt.“, behauptete Sarn. „Alles andere lässt sich nicht ändern.“
„ Na toll!“ Erich verzog das Gesicht und kratzte sich an seiner dick geschwollenen Backe. Auch Sarn war von Stichen übersät, im Gegensatz zu Erich ging er davon aber nicht gleich auf wie ein Hefeteig. Vielleicht fühlte er die Stiche unter all dem Narbengewebe auch gar nicht.
„ Nur noch ein paar Tage und sie verschwinden.“, versuchte Sarn ihn zu trösten. „Dann wird es zu kalt für sie sein.“
„ Und bestimmt auch zu kalt für uns.“, murrte Erich.
Sarn lächelte. „Nicht wenn wir in Bewegung bleiben.“
Erich begriff schnell was das bedeutete. Schon in der nächsten Nacht waren es nicht mehr die Mücken über die er fluchte, sondern die Kälte, die das Laub am Morgen in knisternde Scheiben verwandelte und die Nächte fast unerträglich machte. Er war froh um die Kleidung aus dem Versteck der Wanderfalken und den Umhang, den er, wenn er sich richtig erinnerte, von der Hexe Ja bekommen hatte. Er war zwar nicht besonders dick, aber zumindest hielt er die Feuchtigkeit gut von ihm ab.
Zwei Nächte verbrachten die Hürnin auf ihrer Reise im notdürftigen Schutz von Büschen und Felsen im Wald. Zwei Nächte in denen Erich kaum ein Auge zu bekam. Zwei Nächte in denen er erneut von dem geplagt wurde, was die Scharifoi sahen.
„Sie sind inzwischen von den Höhlen abgezogen.“, berichtete er am dritten Tag, was er in der Nacht gesehen hatte. „Sie haben sich in drei Gruppen aufgeteilt und durchsuchen alles. Ich konnte das Meer sehen. Dort gibt es große Städte, die in ziemlichem Aufruhr sind. Anscheinend ist die Macht des Scharif nicht überall so gefestigt wie an der Grenze zum Sommerfeld. Es ist zu Kämpfen gekommen.“
„ Suchen sie auch in unsere Richtung?“, fragte Sarn.
Erich schüttelte den Kopf. „Nein. Nach Süden ist keiner der Scharifoi unterwegs. Eine Gruppe ist zum Meer nach Osten gezogen, die beiden anderen bewegen sich in Richtung Westen.“
„Seltsam.“, sagte Sarn. „Sie scheinen davon überzeugt zu sein, dass Siroco auf keinen Fall nach Süden unterwegs ist. Glück für uns aber Pech für Siroco. Viele Hunde sind des Hasen Tod.“
„ Der Falke will die Ziege. Im Süden herrscht ein anderer Dämon.“, sagte der Halken. „Und der Hase gräbt sich seinen Weg. Die Hunde werden ihn nicht finden.“
Sarn nickte nachdenklich. „Ja, das könnte der Grund sein, warum sie ihn nicht finden können und warum sie glauben, dass er nach Norden unterwegs ist. Aber erzähl weiter, Erich. Was hast du sonst noch gesehen?“
„Brennende Dörfer.“, sagte er zögernd. „Die Heerführer sind nicht zimperlich. Sie fürchten den Zorn des Scharif und wollen nicht noch einmal versagen.“
„ Verständlich. Vor allem, wenn tatsächlich die Chance besteht, dass das Ritualmesser den Dämon töten kann.“
Wenn es so war, wusste auch der Scharif davon und würde Siroco und seine Leute bestimmt nicht nahe genug an sich heranlassen, um ihm eine Chance dafür zu bieten.
„Im Osten am Meer sind Wesen, die ich noch nie zuvor gesehen habe.“, fuhr Erich fort. „Sie sehen ein wenig aus wie Flusskrebse, aber viel größer und mit gebogenen Körpern. Sogar die Scharifoi machen einen großen Bogen um sie.“
„ Dämonenknechte.“, brummte der Halken.
„ Kennst Du sie?“, fragte Sarn.
„ Unsere Lieder kennen sie.“ Er begann einen schiefen Gesang anzustimmen, dessen Refrain davor warnte zu nah ans salzige Wasser heranzutreten, weil dann die Männer mit den roten Zangen an den Armen
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