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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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Veränderungen noch nicht einmal, aber Sarn verfolgte mit jeder seiner Erzählungen ein bestimmtes Ziel. Er war stets darauf bedacht bei den Hürnin das Gefühl wachzuhalten, dass sie Krieger waren, die jederzeit losziehen konnten, um sich die Welt erneut Untertan zu machen. Aber er wusste selbst, dass die meisten sich zwar ab und zu gern dieser Illusion hingaben, wenn sie seiner Stimme lauschten, aber nie ernsthaft in Erwägung ziehen würden, mit einer Waffe in der Hand loszumarschieren. Die meisten hatten nach ihrem Erwachen für alle Zeit genug vom Blutvergießen und Töten. Sie pflegten noch die Schwerter und Speere ihrer Vorfahren, benutzten sie aber nur noch als Wandschmuck. Sie behielten die schweren Rüstungen in ihrem Besitz, doch wenn sie am Tag des Bundes feierlich durch die Straßen und über die Brücken von Hornhus flanierten, dann taten sie das in bequemerer Kleidung.
    Dem Prediger der Vergangenheit bereitete das Sorgen und um ehrlich zu sein: mir auch. Seit ihrem Fall hatten die Hürnin überlebt, weil sie an den alten Traditionen festgehalten hatten. Sie hatten sich unter die Völker der Welt gemischt, ihr Blut vergossen und wo immer sie konnten versucht Staaten zu schwächen und Heere in den Untergang zu treiben. Um sich zu rächen, aber vor allem um zu verhindern, dass erneut eine übermächtige Streitmacht über sie herfallen würde. Wo das nicht gelingen konnte, hatten die Hürnin auch nach ihrem Fall lange Zeit ihren Mund dicht bei den Ohren der Mächtigen und waren oft das Zünglein an der Waage. Langsam aber stetig löschten sie die Erinnerung an die Hürnin aus, oder machten sie zu Schauergeschichten und Erzählungen für das Lagerfeuer.
    Sigwar, der letzte Herrscher der Hürnin hatte schließlich alles auf eine Karte gesetzt und alles verloren. Seine Armeen waren über die gesamte Welt hergefallen und hatten sie von Meer zu Meer, von Gebirge zu Gebirge unterworfen. Zum ersten Mal in der Geschichte waren die Hürnin aus den Schatten herausgetreten und hatten eine Zeit lang am längeren Hebel gestanden. Aber das genügte nicht. Sigwar nicht und auch nicht den Hürnin. Sie wollten mehr als die Welt, mehr als nur ein Reich, wie es noch keines gegeben hatte. Sie wollten wissen, ob es die Götter, wie sie von vielen verehrt wurden wirklich gab und ob man mit ihnen in Kontakt treten konnte. Ob man vielleicht selbst zu einem Gott werden konnte. Zumindest stand es so in den Archiven. Dieser leere Wahn war ihnen zum Schicksal geworden.
    Sigwar hatte die Götter nicht finden können. Dafür fand er uns Horndämonen und ging einen Pakt mit uns ein. Von da an sollte jeder Hürnin in der Lage sein, einen Horndämon herbeizurufen, der ihm diente. Es war eine gefährliche Prozedur, doch die Hürnin waren Krieger. Sie waren es gewohnt sich in Gefahr zu begeben. Noch war das Blutritual nicht von Geburt an in den Hürnin verankert und sie konnten es nicht instinktiv vollziehen. Viele Frauen und Männer starben in diesen ersten Tagen oder fielen dem Wahnsinn anheim, weil ihr Verstand die Anwesenheit der Dämonen nicht ertragen konnte. Und so wurde der Pakt schließlich nicht von jedem einzelnen Hürnin, sondern für das ganze Volk geschlossen. Niemand weiß, welches Opfer dafür bringen musste, aber was es auch war, es kam zu spät. Es gab zu wenig erwachsene Hürnin, die den Schritt wagten einen Dämon zu rufen und es dauerte zu lange bis genügend Kinder das Erwachsenenalter erreichten.
    Aber es wurde bald deutlich, dass der Pakt den Hürnin und uns Dämonen viele Vorteile verschaffte. Im Gegenzug zur Stärke, die wir den Hürnin liehen, bekamen wir die Möglichkeit mehr als nur einen Blick auf die Welt zu werfen, die uns sonst verwehrt war und einen Teil der Lebensenergie der Hürnin für uns selbst zu verwenden. Es war ein guter Pakt.
    So ritt Sigwar zunächst einige Jahre von Sieg zu Sieg und plante eine Welt, in der Hürnin und Dämonen Seite an Seite zusammenleben sollten. Was für eine Chance, die vertan wurde, als die Völker der Welt von allen Seiten über die Hürnin, die sich gerade neu entwickelten, herfielen und sie beinahe völlig auslöschten. Hätte Sigwar diesen Krieg gewonnen, dann sähe die Welt heute anders aus. Sie wäre die Verwirklichung der Idee vom Streben nach Höherem. Frei von Hunger und Elend. Voller Schönheit und Poesie. Zwar erbaut auf den Knochen der Gefallenen, aber welche Welt ist das nicht?
    Ich vergeude meine Zeit besser nicht länger mit Gedanken über Dinge, die nicht

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