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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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mehr zu ändern sind. Sarn hatte Erich bereits mehrmals mit scharfen Worten gemaßregelt, dass er sich an die Tatsachen zu halten und nichts hinzuzudichten habe und seine Worte wurden dabei immer schärfer. Sich Gedanken über die Zukunft zu machen und mögliche Optionen in seinem Kopf durchzuspielen war etwas, das man getrost den Heerführern und Strategen überlassen konnte, sagte er hintergründig und ganz so als ob er sich damit auskennen würde.
    Seine Laune war zu schlecht, als dass Erich gewagt hätte weiter nachzufragen und versprach, sich zukünftig genau an die Überlieferungen zu halten. Und er versuchte es tatsächlich eine ganze Weile ernsthaft, zumindest wenn er mit Sarn vor anderen Hürnin sprach. Aber mir gegenüber offenbarte er all das, was ihm sinnvoller erschien. Ich muss gestehen ich ließ mich manchmal von seinen Gedankenspielen mitreißen. Er versuchte die Welt zu begreifen, in der die Hürnin gleichzeitig Jäger und Gejagte waren, aber er scheiterte daran, dass er zu wenig darüber wusste. Und so viel die Archive auch enthielten, sie wiesen auch große Lücken auf und boten gewiss keine einfachen Erklärungen. Zumindest nicht für jemanden, der so jung war wie Erich und sich noch nicht damit abgefunden hatte gewisse Behauptungen ganz einfach zu akzeptieren.
    Unumstritten war jedenfalls, dass nach dem Tod Sigwars das Volk der Hürnin in alle Winde zerstreut wurde. Viele von ihnen hatten noch keine Gelegenheit gehabt ihren Dämonen zu rufen und mussten erst durch ihre Kinder äußerst schmerzlich erfahren, dass durch den Pakt nun wirklich jeder Hürnin dazu in der Lage war und das auch ohne aufwändige Vorbereitungen. Andere, die ihren Dämonen bereits gerufen hatten, reisten von nun an unermüdlich auf der Suche nach den versprengten Hürnin herum, um ihnen das Wissen um die einzige Waffe, die ihnen noch geblieben war zu vermitteln und sie vor ihren eigenen Kindern zu warnen. Kurz nach der Niederlage war dies die bitterste Epoche in ihrer Geschichte. Auch sie hatte ihre Helden, aber was waren deren Taten wert, wenn sie lediglich dazu dienten, die Scherben eines zerbrochenen Traumes zusammenzukehren und Hürnin vor ihren eigenen Kindern zu retten? Erich fand genug Geschichten aus dieser Zeit, die versuchten einen Schuldigen für die Niederlage auf dem Sommerfeld zu präsentieren oder dieses Ereignis trotzig in einen Sieg umzudeuten.
    Keine von ihnen war so bekannt wie die Erzählung von Norin und Bala. Wahrscheinlich deshalb, weil sie im Kern nicht von Krieg und Leid handelt, sondern von der Liebe, die alles überdauert. Sie erzählt von Norin, einem Gemmenschneider, der auf Befehl Sigwars ein Schmuckstück für dessen Tochter Siglin fertigen sollte. Dafür suchte Norin im ganzen Land nach den schönsten und seltensten Steinen. Er fand schließlich einen Seelenstein, einen Stein, der zunächst unscheinbar aussieht, doch in allen Farben des Regenbogens zu funkeln beginnt, wenn er von der Person getragen wird, für die er bestimmt ist. Norin arbeitete unermüdlich an diesem Stück von dem er wusste, dass es vielleicht seine letzte Arbeit sein würde. Die Schlacht auf dem Sommerfeld stand kurz bevor und er hatte nicht mehr viel Zeit. Er schuf eine Gemme von solcher Kunstfertigkeit wie sie noch niemand zuvor gesehen hatte, doch als er das Kleinod, das Hammer, Amboss und glühendes Erz zeigte, zu Sigwar und seiner Tochter bringen wollte, geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte: Bala, eine Kammerzofe Siglins erwartete ihn als erste an der Tür zu den Gemächern ihrer Herrin und allein ihre Anwesenheit reichte aus, um den Seelenstein zum Leuchten zu bringen. In diesem Moment wusste Norin, dass die Gemme nicht für Siglin bestimmt war. Er schenkte sie Bala und ging freiwillig in die Verbannung um nicht als Dieb verurteilt zu werden, denn er konnte den Seelenstein Siglin einfach nicht geben. Auch konnte er Bala nicht vergessen.
    Dann kam der Krieg und die Niederlage auf dem Sommerfeld. Bala wurde vom Rest des Hofstaates getrennt und irrte eine Weile allein auf der Suche nach anderen Hürnin durch das Land. Die Gemme war ihr einziger Trost und bald bemerkte sie, dass sie immer dann heler leuchtete, wenn sie in eine bestimmte Richtung gehalten wurde. Bala folgte diesem Wegweiser, überwand allerhand Gefahren und fand so schließlich Norin in dessen Gegenwart der Seelenstein so hell strahlte wie nie zuvor.
    Es gab verschiedene Versionen wie es danach weiterging. Während manche an dieser Stelle das

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