Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
aufragende Muttermale aussahen. Erst als sich eines dieser Muttermale bewegte, erkannte ich, dass es sich dabei um kleine Tiere handelte. Auf Höhe der Rippen hatten sich lange platte Würmer oder Blutegel am Halken festgesaugt und von seinen Schlüsselbeinen bis zu den Ohren hinauf kleinere Tiere, bei denen es sich um Zecken handeln mochte. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und warf durch das Kristallgefüge einen Blick auf diesen Mann, um herauszubekommen, wie viele dieser Schmarotzer oder Symbionten er an sich trug. Auf der Stelle fragte ich mich, wie das sein konnte, was ich sah.
Der schwarze Halken war ein Zoo, eine Schlangengrube, ein Hornissennest!
Zumindest sah er durch das Kristallgefüge gesehen so aus. Es schien kaum einen Teil seines Körpers zu geben, auf oder in dem nichts lebte. Sogar seine inneren Organe wimmelten von Würmern und anderen Kleintieren. Besonders in seinen zu verfilzten Strängen zusammengefassten Haaren wuselten unzählige Lebewesen herum. Als ich noch genauer hinschaute, bemerkte ich, dass manche dieser verfilzten Stränge noch nicht einmal Haare waren, sondern Kolonien von verpuppten Insektenlarven.
Ich war von diesem Anblick so fasziniert, dass ich anfangs gar nicht mitbekam, worüber der Halken und Erich redeten. Erst der erstaunte Gesichtsausdruck meines Herrn brachte meine Aufmerksamkeit zurück.
„ Die Statuen haben zu dir gesprochen?“, wollte er gerade ungläubig wissen. „Diese blau schimmernden Statuen in den Katakomben?“
Der Halken nickte. „Ihr Schweigen verbrannte im Feuer. Und im Rauch stiegen die Worte der Ahnen zum Schwarzen Halken auf.“
Erich sah in das kantige Gesicht des Mannes, um herauszubekommen, ob er sich vielleicht nur einen Scherz mit ihm erlauben wollte. Er sah zwar die spindeldürren Heuschrecken, die an Stelle von Augenbrauen über den Augen saßen und die raupenähnlichen Dinger, die sich beiderseits der Nase unter seinen Augen festgebissen hatten, aber keinen Hinweis auf Schalk oder böse Absichten.
„ Und was hat das mit mir zu tun?“
„ Die Worte, die im Rauch am höchsten stiegen, waren die deines Ahns: Chiludes; der, den sie den Verräter nennen. Er ruft nach dir, denn seine Tage sind gezählt. Sein Lied wird bald verstummen. Er ist unser Ahn und auch deiner.“
„ Auch mein Ahn? Aber … ? Ich bin doch kein Ork.“
Der schwarze Halken neigte den Kopf. „Einfach. Das war auch Chiludes nicht. Die Ahnen kommen aus allen Völkern der Hürnin.“
„Und was wollte Chiludes von dir? Was soll das bedeuten?“
„ Chiludes gab dem schwarzen Halken seine Aufgabe. Er wird an deinem Weg stehen und Brücken schaffen wo keine sind, Stürme abwehren, wo sie aufziehen. Er soll dich zum Feld aus Blut, zum Loch der Dunkelheit, dem Turm des Feuers und dem blauen Tor begleiten. Danach wird der Halken seine Pflicht erfüllen und Chiludes die Fragen stellen. Die Freiheit beginnt mit dem Sieg über den Stein.“
„ Das klingt ein wenig wirr. Soll das heißen, dass du mich beschützen sollst? Vor was?“
„ Die Worte der Ahnen sind wie Rauch. Rauch gibt Zeichen aber keine Antworten. Der Halken wird dich begleiten. Bis zum Ort, an dem die Ahnen wieder zu ihm sprechen werden. Oder bis zum Ende.“
Erich schluckte schwer. „Aber woher willst du denn wissen, dass ich Schutz brauche, wenn der Rauch so undeutlich ist?“
Der Halken verzog sein Gesicht. „Die Ahnen sprechen nicht ohne Grund. Und es ist gut ein Schild zu haben, selbst wenn man es nicht braucht.“
„ Icher, was sagst du dazu?“, fragte mich mein Herr unsicher.
„ Herr, lass uns mit Sarn darüber reden. Er wird wissen was zu tun ist. “
Erich warf dem Halken erneut einen prüfenden Blick zu, während er darüber nachdachte. Die Art und Weise, wie sich die Symbionten an seinem Körper bewegten, verursachte bei ihm eine Gänsehaut und in den Geschichten, die er von seinen Zieheltern gehört hatte, wurden Orks immer von einem mehr als zweifelhaften Ruf begleitet. Bestenfalls waren sie einfältige Herumtreiber oder gewalttätige Tunichtgute.
„Du weißt, dass wir morgen in die Verbannung gehen müssen?“, fragte er zur Sicherheit. Natürlich wusste inzwischen jeder in Hornhus davon.
„ Die Ahnen sagen, dass wir bereits heute ziehen werden. Der Halken wird euch zu General Sarn begleiten. Er wird nichts dagegen haben.“
Erich runzelte die Stirn, zuckte dann aber mit den Schultern und trottete hinter dem massiven Kerl her, der den von Erich mitgebrachten und jetzt
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