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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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Verbandsstoff. Die Obsidianklinge fühlte sich kalt an und für einen Moment kam es mir so vor, als wäre sie von feinem Nebel umgeben. Dann machte Erich sich mit weichen Knien auf den Weg zur Schale. Er konnte seinen Herzschlag bis in die Kopfhaut hinauf spüren und hatte einen Moment lang die Befürchtung, dass sein Blut durch den hohen Druck in seinen Adern in hohem Bogen umherspritzen würde, sobald er den Dolch auch nur ansetzte. Er umrundete die Schale und zählte mit seinen Fingern mit, um nicht durcheinander zu kommen. Sarn hatte sein Blut bereits in die Schale tropfen lassen und war dabei, diese ein weiteres Mal zu umrunden, als Erich den Dolch ansetzte. Auch wenn er seine Haut nur leicht anritzte, hatte er das Gefühl, als würde der kalte Stein bis auf den Knochen in sein Fleisch schneiden und beobachtete vor Schreck wie angewurzelt, wie sich ein Tropfen Blut an seiner Handkante sammelte, größer wurde und dann scheinbar unendlich langsam in die Schale fiel.
    Konzentrische Kreise breiteten sich in der teilweise schon gestockten Flüssigkeit aus und wurden von den Rändern der Schale zurückgeworfen. Die gesamte Schale schien zu vibrieren und das Blut darin zischte als würde es kochen. Vor Schreck unfähig sich zu bewegen, beobachtete Erich, wie die Wellen im Blut nicht etwa abebbten und verschwanden, sondern immer heftiger schwangen, bis das Blut mit einem Mal heftig zu brodeln begann. Sarn, der bereits auf dem Weg war sich verbinden zu lassen, hörte Erichs überraschtes Keuchen und drehte sich zu ihm um. Gerade rechtzeitig um mitzuerleben, wie eine Hand aus Blut im Kessel auftauchte und nach Erich griff. Sie packte ihn vorne an seiner Kutte und versuchte ihn hinunter zu ziehen. Sofort war ich bei ihm, und wollte ihm meine Kraft leihen, aber ich prallte zurück. Eine unsichtbare Barriere hielt mich von ihm fern und ich musste mit ansehen, wie das Blut aus der Hand schnell von Erichs Wams aufgesogen wurde und von dort auf den Boden tropfte. Die Hand selbst aber blieb und zog Erich immer tiefer und tiefer hinunter. Er schrie, was aber im schnell ausbrechenden Tumult völlig unterging. Frauen, die ganz in der Nähe standen, brachen in Panik aus und trieben andere, die weiter hinten standen, zurück zu den Ausgängen. Andere versuchten in die entgegengesetzte Richtung und damit näher zum Geschehen zu gelangen und es dauerte nur ein paar Sekunden, bis das totale Chaos herrschte.
    Erich stützte sich mit beiden Armen am Rand der Schale ab, aber die Hand aus Blut musste übermenschliche Kräfte haben, denn sie zog Erich so sicher zu sich heran, wie ein Angler einen Fisch aus dem Wasser zieht. Erich kreischte noch einmal in Todesangst auf, dann verschwand sein Kopf unter der Oberfläche.
    Sarn wusste sich nicht anders zu helfen als ihn um die Hüfte zu packen und sich aus Leibeskräften gegen diese Bedrohung zu stemmen. Aber es machte keinen Unterschied. Erich war verloren.
    Ich war verloren.
    Ich wusste dass etwas Schreckliches vor sich ging. Etwas, das meine Fähigkeit zu begreifen überstieg. Ich wusste, das dies das Ende sein würde, sollte kein Wunder geschehen.
    Das Wunder stellte sich in Gestalt von zwei Hürnin ein, die sich wie ein Rammbock und dessen Schatten durch die Menge schoben, um zu Erich zu gelangen. Es handelte sich um den Halken und die Elfenfrau mit der ungesunden Hautfarbe, die Erich beobachtet hatte. Während der Halken Sarn half, meinen Herrn festzuhalten, hob die Frau das Ritualmesser auf, das Erich fallen gelassen hatte, schnitt sich damit durch den Verband hindurch erneut in die Handfläche und tauchte ihre Hand dann mit dem Messer an Erichs Schultern vorbei bis an den Oberarm hinein in das schäumende Blut.
    Während das Blut nach allen Seiten spritzte, bewegte sich die Frau konzentriert und mit geschlossenen Augen wie jemand, der eine Murmel unter einem Schrank wiederfinden will und plötzlich war Erich frei. Der Halken zog ihn aus der Schale und warf ihn sich ohne zu zögern über die Schulter, um ihn von dort wegzutragen. Alles war so voller Blut, dass es schwer war festzustellen, ob mein Herr verletzt war, aber zumindest lebte er noch.
    Die Menge hatte inzwischen einen weiteren Grund um fluchtartig das Weite zu suchen: Aus einem Loch in der Decke der Halle strömten schwarz glänzende Asseln, die so lang waren, wie ein ausgestreckter Arm. Erich bemerkte sie nicht, denn er hing auf dem Rücken des Halken und versuchte Blut und Magensäfte ausspuckend wieder zu Atem zu kommen.

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