Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
diesem einen Brunnen zu holen, obwohl der in der Stadt keinen guten Ruf besaß. Erich wusste auch warum. Wahrscheinlich lag es nur daran, dass das Wasser aus diesem Brunnen um einiges kälter war, aber man munkelte auch von geisterhaften Erscheinungen. Es gab sogar Tage an denen er die Reste einer dünnen Eisschicht im Eimer mit hochzog, und sein Atem deutlich in der Luft zu sehen war, auch wenn niemand erklären konnte, warum es hier selbst im Sommer manchmal so kalt wurde. Außerdem lag der Brunnen tief in den Wurzeln von Hornhus, wo noch nie jemand gewohnt hatte und nun nur noch selten jemand hinkam. Es war der Brunnen der Verbannten und Unsichtbaren. Genau richtig für Sarn und Erich, aber sonst ließ sich nur selten jemand dort unten blicken.
Als mein Herr die Stufen zu dem Schacht hinunterstieg, in dem sich der Brunnen befand, fiel ihm deshalb sofort der Umriss eines muskulösen Mannes auf, der an eine Mauer gelehnt dastand und eine klobige Pfeife rauchte, die gewaltige Rauchschwaden ausstieß. Dem Geruch der Pfeife nach zu urteilen handelte es sich um einen Ork, einen Goblin oder etwas in der Art, je älter sie wurden, desto schwerer waren sie auseinander zu halten. Der Mann nickte Erich zur Begrüßung zu und trat einen Schritt zur Seite um ihn passieren zu lassen.
Es war seltsam hier unten jemanden zu treffen, noch dazu am Tag des Bundes, wo die ganze Stadt auf den Beinen war, um die Gassen zu schmücken und sich auf das Fest vorzubereiten. In jeder anderen Stadt hätte er vielleicht davor Angst haben müssen beraubt zu werden, aber nicht in Hornhus. Welchen Grund der Mann auch immer haben mochte, hier unten herumzulungern, es schien nichts mit Erich zu tun zu haben.
Erich hob seinen Eimer auf den Rand des Brunnens und ließ ihn zügig hinunter in das Loch, das kaum kniehoch von grob behauenen Steinen eingefasst war. Die rostige Kette rasselte leise, während er sie durch seine Hände gleiten ließ, bis er dumpf das Echo des auf der Wasseroberfläche aufschlagenden Eimers hörte. Er gab noch etwas Länge dazu, damit er sich sicher sein konnte, dass sich der Eimer auch füllte, dann begann er die Kette wieder nach oben zu ziehen.
„Lass mich helfen.“, sagte plötzlich eine raue Stimme hinter ihm und Erich hätte vor Schreck beinahe die Kette losgelassen. Auch ich war nicht wenig erstaunt, dass der Ork mit einem Mal mit uns am Brunnen stand, denn auch ich hatte nicht bemerkt, dass er uns gefolgt war.
Als Erich nicht gleich antwortete, nahm der Mann die Kette aus seinen Händen und zog den Eimer mit einer Leichtigkeit nach oben, als handelte es sich um nichts weiter als einen Faden mit einer Spinne daran.
„Danke.“, sagte Erich, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.
„ Keine Anstrengung.“, sagte der Ork mit seiner Stimme, die rumpelte und grollte wie Kiesel in einem Flussbett und es irgendwie schaffte an seinen Zähnen und der Pfeife dazwischen vorbeizukommen, ohne völlig unverständlich zu werden. „Der Schwarze Halken.“
„ Was?“, fragte Erich verwirrt.
Der Ork stellte den Eimer ab, klopfte die Pfeife am Rand des Brunnens aus und deutete auf seine breite Brust. „Der Schwarze Halken.“, wiederholte er.
Ein passender Name. Der Ork überragte Erich um mehr als zwei Köpfe und hatte eine Hautfarbe, die in von der Körpermitte ausgehenden Streifen von dunklem Grau in Schwarz überging. Er trug eine schwere Hose aus grobem Leder, die an den Knien mit Metallplatten verstärkt war. Seine Schuhe schienen aus einem kompakten Metallblock zu bestehen, in ihnen musste sich aber eine feine Mechanik befinden, denn sie passten sich so mühelos allen seinen Bewegungen an wie ein Kettenhemd.
Die Hose wurde von einer Kombination aus Hosenträger und Gürtel gehalten, an der eine Menge Haken und Ösen befestigt waren, die im Moment aber ohne Funktion zu sein schienen. Der Oberkörper des Halken war bis auf einen Umhang aus Leinen, den er sich um die Schultern geworfen hatte, unbekleidet und so konnte Erich gut die zahllosen Narben sehen, die sich wie Quarzadern über die klar definierten Muskeln zogen, aus denen der Halken ausnahmslos zu bestehen schien. Es war dunkel hier unten und so konnte Erich nur undeutlich erkennen, dass auf der Haut nicht nur die Narben vergangener Kämpfe zu sehen waren, sondern auch andere unregelmäßige Beulen und Male. Ich hingegen konnte einen genaueren Blick auf die seltsamen Auswüchse werfen, die auf den ersten Blick wie eine Hautkrankheit oder hoch
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