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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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hätte, gab es nichts was sie tun konnten um schneller voranzukommen. Ganz im Gegenteil. Wer hier schnell sein wollte, musste langsam gehen, denn jeder unbedachte Schritt konnte eine lange Verzögerung oder sogar das Ende der Reise bedeuten.
    „Ich bekomme langsam Hunger.“, sagte Erich irgendwann nachdem sich sein Magen mehrmals lautstark gemeldet hatte und die Sonne ein gutes Stück über den Himmel geklettert war. Sarn nickte und reichte ihm wortlos etwas, das aussah wie eine vertrocknete Wurzel.
    „ Was ist das?“, wollte Erich wissen und roch vorsichtig an dem Ding.
    „ Essen.“, antwortete Sarn wortkarg.
    „ Für welche Tiere?“, fragte Erich sarkastisch, aber so leise, dass Sarn ihn nicht hören konnte. Er versuchte ein Stück aus dem zähen flachen Strang herauszubeißen, aber seine Mühen waren vergeblich. Das Ding war zäh wie Leder. Wahrscheinlich handelte es sich um getrocknetes Fleisch, aber Erich war sich da nicht so sicher, denn es schmeckte nicht nach Fleisch. Es schmeckte nur salzig. Und alt. Als Kern sah, wie er damit kämpfte, drängelte er sich an Sirr vorbei, die seit einiger Zeit die Nachhut bildete und lächelte Erich erwartungsvoll an.
    „ Schmackofatz?“, fragte Kern und deutete auf das Trockenfleisch.
    „ Willst du was davon abhaben? Hier nimm, schmeckt sowieso wie Schuhsohle.“
    Kern nahm den dünnen Streifen Fleisch entgegen und brach ihn sauber in der Mitte durch. Eine Hälfte gab er an Erich zurück, die andere zerdrückte er weiter zwischen seinen Händen wie Nüsse, bis er eine Reihe von mundgerechten Stücken hatte, die er nacheinander mit breitem Grinsen und lautem Knacken zerkaute.
    Erich folgte seinem Beispiel, aber das mit dem Zerbeißen wollte nicht so recht klappen. Um die Stücke dennoch einigermaßen klein zu bekommen, musste er warten, bis sie sich ein wenig mit Speichel vollgesaugt hatten, bevor er sie kauen und schlucken konnte. Obwohl er gründlich mit Wasser aus seiner Feldflasche nachspülte, hatte er noch Stunden später das Gefühl, als ob ihm Fleischreste in der Speiseröhre hängen und gegen seine Magenwände stoßen würden. Außerdem machten ihn diese schwer verdaulichen Happen nur noch hungriger auf richtiges Essen. Aber den Luxus Essen über einem Feuer zuzubereiten konnten sich die Hürnin erst wieder leisten, wenn wir alle außer Gefahr waren. Wann immer das auch sein mochte.
    In unregelmäßigen Abständen veränderten sie ihre Marschordnung, damit jeder einmal vorweg ging und die anderen so Zeit hatten sich ein wenig zu erholen. Spätestens dann wenn einer von ihnen austreten musste, oder versuchte seinen Rucksack oder seine Tasche in eine Stellung zu bekommen, die weniger Schmerzen bereitete als alle anderen, wurden wir langsamer, um dem Nachzügler die Gelegenheit zu geben sich wieder hinter uns einzureihen. So war auch Erich unversehens einmal dran die Führung zu übernehmen. Aber sobald Sarn sich an die Seite stellte, um an einen Busch zu pinkeln, blieb auch Erich stehen.
    „Bleib nicht stehen.“, sagte Sarn, ohne sich umzudrehen. „Du bist an der Reihe.“
    „ Womit?“
    „ Uns zu führen.“
    „ Ich? Aber ich weiß doch gar nicht, wo wir hin müssen!“
    „ Immer nach Südosten.“, erwiderte Sarn.
    „ Und wo ist Südosten?“, fragte Erich unsicher.
    „ Da.“ Sarn deutete in eine Richtung, die sich nicht im Geringsten von allen anderen Richtungen unterschied, abgesehen von der, aus der wir gekommen waren und zog sich danach die Hose wieder hoch. Erich fühlte sich überfordert, Sarn sah aber nicht danach aus, dass er einen Rückzieher Erichs dulden würde. Es wurde Zeit, dass Erich lernte Verantwortung zu übernehmen.
    „ Und was mache ich, wenn es nicht mehr weitergeht?“
    „ Stell dich doch nicht so an, als wärst du der erste Mensch!“ schimpfte Sarn. „Wenn es nicht weitergeht, dann suchst du dir einen anderen Weg. Es geht immer irgendwie weiter.“
    Erich schluckte eine Erwiderung hinunter und stapfte dann eingeschnappt in die Richtung, in die Sarn gezeigt hatte, los. Er mochte das Gefühl vorauszugehen überhaupt nicht. Zuvor hatte er sich nur auf das kleine Stückchen Erde vor sich konzentrieren müssen und ansonsten seinen Gedanken nachhängen können, jetzt musste er auf alles vorbereitet sein. War das da vorne ein Wasserloch oder nur eine flache Pfütze? Würden sie einen Weg durch diese Dornenbüsche finden oder sich beim Versuch nur die Kleidung zerreißen? Liefen sie immer noch in die richtige Richtung? Waren

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